Der Manager des Atomkraftwerks Fukushima bangt um seinen Job. In der Krise hatte er sich als Schönwettermanager entpuppt.  

Tokio - Die schwarz gefärbten Haare sorgfältig gescheitelt, das Gesicht von tiefen Sorgenfalten zerfurcht: Als ersten Eindruck hinterlässt Masataka Shimizu das Bild eines Managers, der sich "Kankyakka" zu Herzen nimmt. "Es handelt sich um einen bekannten Satz aus dem Zen-Buddhismus", erklärte der Topmanager des größten japanischen Stromkonzerns Tepco im Jahr 2009, "und bedeutet: Achte darauf, was sich unter deinen Füßen befindet." Die drittgrößte Industrienation Japan litt damals wie die ganze Welt an der Finanzkrise und als stellvertretender Vorsitzender von "Nippon Keidanren", der Vereinigung der Wirtschaftsbosse von Japan, nannte der Manager damals die beiden wichtigsten Merkmale eines Wirtschaftsführers in der Krise: "Er muss vor Ort sein, er muss über die Geschäftswirklichkeit auf dem Laufenden sein. Er muss auf den Boden unter seinen Füßen schauen und dann die richtige Richtung einschlagen."

 

Ein Paar Tage nach dem verheerenden Erdbeben vom 11. März folgte Shimizu seinem Motto, wenn auch auf etwas eigentümliche Weise: Der 66-Jährige schaute auf die Ruinen des Tepco-Atomkraftwerks Fukushima zu seinen Füßen - und verschwand für mehrere Wochen aus der Öffentlichkeit. Ein Sprecher machte Bluthochdruck und Schwindelanfälle verantwortlich. Während der größte Stromkonzern Japans nach dem GAU innerhalb weniger Tage an der Börse rund 27 Milliarden US-Dollar an Wert verlor, erholte Shimizu sich streng abgeschirmt in einem Krankenhaus, so erklärte jedenfalls sein Unternehmen.

Als im vergangenen Jahr im Golf von Mexiko wochenlang Öl ins Meer sprudelte, ging der Chef von BP, Tom Hayward, segeln. Wie sein mächtiger US-Kollege entpuppt sich in der Krise nun auch Tepco-Chef Shimizu als Schönwettermanager, der den GAU nicht bewältigen kann. Nicht einmal nach seiner Rückkehr in die Öffentlichkeit am 7. April wollte sich der Manager in die Karten schauen lassen. "Eine Privatsache", antwortete er auf die Frage nach den Ursachen seiner Gesundheitskrise. "Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um über meine Zukunft zu reden", kanzelte Shimizu Fragen nach einem möglichen Rücktritt ab. "Wir studieren gerade Entschädigungspläne für die Betroffenen", antwortete er wolkig auf die Frage, ob die Bewohner Geld erhalten würden, die wegen des GAUs evakuiert werden mussten.

Es mangelt ihm in Krisenzeiten an Courage

Klare Antworten hat es noch nie in der Geschichte des Tepco-Konzerns gegeben. Diese Unternehmensphilosophie wurde Shimizu sozusagen schon von Kindesbeinen an eingetrichtert. Sein Vater hatte jahrelang in der Tepco-Spitze gearbeitet, als Masataka Shimizu 1968 im Alter von 22 Jahren nach dem Studium an der elitären Keio-Universität in Tokio als Verwaltungsangestellter bei dem Stromkonzern anfing. Er absolvierte einen steilen Aufstieg und wurde 2008 Konzernchef, nachdem sein Vorgänger über einen Unfall im AKW Kashiwazaki gestolpert war. Shimizu trug zu dem Zeitpunkt bereits den Spitznamen "Cost Cutter". In einem Interview brüstete er sich mit den hohen Einsparungen unter seiner Führung.

So selbstbewusst der Manager an die Konzernspitze strebte, so sehr mangelt es ihm in Krisenzeiten an Courage. Auch nach seiner Rückkehr in die Öffentlichkeit fehlt dem Manager der Mut, den heimatlosen Opfern ins Auge zu schauen, die seit über vier Wochen in Notaufnahmelagern ausharren. Stattdessen zog Shimizu eine Visite bei den Leuten vor, bei denen sein Wort bis zum 11. März das Gewicht eines Gesetzes besaß: Er besuchte die Amtsverwaltung der Präfektur von Fukushima. Als "O-Wabi kaiken" - Entschuldigungspressekonferenz - gedacht, wurde der Besuch zur öffentlich inszenierten Demütigung des Spitzenmanagers. Umlagert von Pressefotografen musste Shimizu im Vorzimmer des Gouverneurs seine Visitenkarte hinterlegen, weil er nicht vorgelassen wurde.

Solche Inszenierungen leiten in Japan oft das Ende illustrer Karrieren ein. Bevor Shimizu, wie es nahezu unausweichlich erscheint, vom Tepco-Thron gestoßen wird, durfte er aber erst noch einmal Abbitte leisten. "Ich entschuldige mich zutiefst für die großen Probleme, die unser Unternehmen verursacht hat", erklärte Shimizu mit versteinerter Miene. Doch damit wird er nicht einmal bei Premier Naoto Kan weit kommen. Der Regierungschef war höchstpersönlich wutentbrannt in das Hauptquartier des Unternehmens gestürmt, als kurz nach der Katastrophe bei Tepco alles drunter und drüber ging, und rief lauthals: "Was ist hier los?" Der Regierungschef hatte aus dem Fernsehen erfahren, dass sich in Fukushima eine Explosion ereignet hatte. Die Tepco-Manager hatten - ganz wie sie es gewohnt waren - die unangenehme Nachricht lieber für sich behalten.

70.000 Tonnen verstrahltes Wasser in Fukushima

Abpumpen: Der Betreiber des havarierten Atomkraftwerks Fukushima-Daiichi hat am Dienstag mit dem Abpumpen von hochradioaktivem Wasser aus dem Reaktorblock 2 begonnen. Erst wenn die rund 25.000 Tonnen Wasser, die sich in der Turbinenhalle des Reaktorblocks angesammelt haben, in ein Auffangbecken umgepumpt sind, können Arbeiter zur Reparatur des Kühlkreislaufs ausrücken.

Strahlung: Insgesamt müssten 70.000 Tonnen verstrahlten Wassers aus den Reaktorgebäuden 1, 2 und 3 sowie den anliegenden Arealen abgepumpt werden, erklärte ein Sprecher der japanischen Atomsicherheitsbehörde. Bereits am Sonntag wurden Roboter zur Messung der Strahlung in die Reaktoren 1 und 3 geschickt. Dort wurden Werte von 57 Millisievert in der Stunde gemessen, ein zu hoher Wert, um Menschen in die Reaktorblöcke zu schicken. Im Reaktorblock zwei wurden am Montag 4,1 Millisievert gemessen.