Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Auch unabhängige Atomexperten, die die StZ befragte, halten die bisher verschwiegenen Vorfälle zumindest teilweise für meldepflichtig - womöglich sogar in einer höheren Kategorie. Für eine vertiefte Beurteilung brauche man freilich noch weitere Informationen. Die Angaben des Anonymus und der erste Bericht der Stuttgarter Atomaufsicht, hört man aus Berlin, passten nicht durchweg zusammen. Inzwischen sollen Röttgens Aufseher einen umfänglichen Fragekatalog nach Baden-Württemberg übermittelt haben.

 

Einige Antworten hat Gönner just am Freitag, als das Drama von Fukushima begann, der Karlsruher Grünen-Landtagsabgeordneten Gisela Splett gegeben. Die Vorfälle aus dem Jahr 2010 habe man nicht melden müssen, beharrte die Ministerin, bei dem Ereignis von 2009 zeigte sie sich hingegen verunsichert: "Zur bestmöglichen Bewertung" der Meldepflicht habe man jetzt Sachverständige eingeschaltet - fast zwei Jahre danach. In keinem Fall, versichert Gönner, wäre "die Beherrschung von Störfällen gefährdet" gewesen.

Für Splett stellt sich nun die Frage, ob auch andere meldepflichtige Pannen geheim gehalten wurden. Wenn mehrere Hunderttausend Liter Reaktorwasser unkontrolliert ausliefen, erscheine ihr das "alles andere als harmlos". Auch unter Atomexperten kursiert seit längerem der Verdacht, dass Pannen in baden-württembergischen Meilern nur sehr sparsam veröffentlicht würden - aus Sorge, die Öffentlichkeit zu erschrecken. Über kurz oder lang, sagt ein Insider, komme jedoch alles raus - und dann schon mal zur Unzeit. Das einzige Ergebnis sei dann zusätzliches Misstrauen.