Die Tonschichten im Land werden vermutlich nicht für ein Endlager ausgewählt. Dennoch bringt die Ankündigung Kretschmanns Bewegung in die Suche.

Stuttgart - Ob Winfried Kretschmann viel zu befürchten hat, wenn er sich an der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle beteiligen will? Es gibt nur vergleichsweise wenige Standorte im Land, die infrage kommen, und auch sie gelten nicht als die unbedingt besten. Steckt mehr dahinter als der Versuch, die Position der CDU zu kippen, die sich darauf festgelegt hat, den Salzstock Gorleben in Niedersachsen auf seine Eignung als Endlager zu prüfen?

 

Das Bundesumweltministerium hatte die Erkundung Gorlebens im vergangenen Jahr wieder zugelassen, nachdem sie unter Rot-Grün und der Großen Koalition in Berlin zehn Jahre ruhte. Auch die Landes-CDU hatte diese Position unterstützt und dafür geworben, erst Gorleben vollständig zu prüfen, bevor über weitere Standort nachgedacht werde. Nicht zuletzt die scheidende Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) hatte sich immer wieder auf die Kosten der laufenden Untersuchungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro berufen. Gorleben wird schließlich seit 1979 erkundet.

"Gorleben ist die richtige Lösung"

Daran hält man in der CDU auch weiter fest. "Wir sind der Meinung, Gorleben ist die richtige Lösung", sagt Peter Hauk, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Deshalb habe man auch im vergangenen Jahr das rot-grüne Moratorium beendet und die Erkundung Gorlebens weiter vorangetrieben. Zu viel Zeit, Energie und Wissen sei bereits in dieses Projekt investiert worden, so Hauk. Die Notwendigkeit einer neuen Standortsuche sehe man in der CDU nicht.

Nun soll aber alles wieder zur Debatte stehen. Bedingung für eine solche ergebnisoffene Suche ist für Kretschmann der definitive Ausstieg aus der Atomenergie. Nur so könne man Verständnis bei den Menschen erlangen. Wenn sie das Gefühl hätten, es werde immer noch mehr Strahlenmüll produziert, würden sie ein Endlager nie akzeptieren, so der designierte Ministerpräsident weiter.

Beim künftigen Koalitionspartner SPD lösen diese Aussagen keine Empörung aus. "Mit Kirchturmdenken ist dem Problem Atommüll nicht Herr zu werden", sagt der SPD-Sprecher Andreas Reißig. Nils Schmid habe stets betont, er stehe einer Endlagersuche und einer sorgfältigen Prüfung der Gesteinsschichten offen gegenüber, so Reißig. Die Zahl geeigneter Gesteinsschichten in Deutschland sei nun einmal nicht unendlich groß.

Im baden-württembergischen Umweltministerium ist man nicht völlig unvorbereitet. Die Ankündigung einer ergebnisoffenen Suche bedeute zwar einen neuen Schritt, doch es sei nicht das erste Mal, dass man sich mit dem Thema befasse. In den Schubladen des Ministeriums lagern Akten zu sogenannten Voruntersuchungen der Gesteinsschichten in Baden-Württemberg. Vor 20 Jahren habe man den Granit im Südwesten auf seine Endlagertauglichkeit überprüft, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Man hielt ihn damals für ungeeignet.

Alles, nur nicht Gorleben?

Das gilt auch für andere Granitvorkommen in Sachsen und Bayern. Das Gestein ist zwar sehr stabil, aber nicht in ausreichender Größe vorhanden. Zu diesem Ergebnis kam die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schon in den 90er Jahren. Heute geht es bei der Endlagersuche um Salzstöcke und Tonschichten. Die BGR bevorzugt Salz und hat es bisher vorrangig untersucht. Steinsalz hat den Vorteil, dass es die Wärme des radioaktiven Abfalls gut ableitet und bis 200 Grad stabil bleibt. Sollte sich ein Salzstock durch geologische Bewegungen verformen, würden kaum Risse entstehen. Allerdings ist Salz wasserlöslich. In das ehemalige Salzbergwerk Asse, in das in den 60er und 70er Jahren 88.000 Tonnen schwach- und mittelradioaktiver Müll eingelagert wurden, tritt schon seit einigen Jahren Wasser ein. Das ganze Bergwerk droht einzustürzen.

Gorleben war jedoch ein unberührter Salzstock und die BGR hat bisher keine Zweifel an seiner Eignung für ein Endlager. Es gibt nur einige wenigere weitere Salzstöcke, welche die BGR vor vier Jahren in einer Studie als "untersuchungswürdig" bezeichnete - sie liegen alle in Niedersachsen.

Ganz anders sieht die Lage beim Ton aus. Er lässt kein Wasser durch, darf aber nicht über 100 Grad erhitzt werden. In den ersten 30 bis 40 Jahren müsste der Atommüll daher in einem Zwischenlager warten, bevor er eingelagert werden könnte. Tonschichten, die für eine Erkundung infrage kommen, findet man nach BGR-Angaben in mehreren Bundesländern - auch in zwei Regionen Baden-Württembergs: in den Ausläufern der Schweizer Alpen und auf der südlichen Schwäbischen Alb. Andere Regionen kommen wegen Erdbeben nicht in Betracht.

Nach Angaben des Umweltministeriums haben Probebohrungen gezeigt, dass die Tonschichten von Grundwasserleitern durchzogen sind. Die BGR empfiehlt daher "gesonderte Detailuntersuchungen", sollte Baden-Württemberg in die engere Wahl kommen.

Hintergrund: Ein Endlager und drei Problemfälle

Schacht Konrad
Das ehemalige Eisenerzbergwerk ist Deutschlands einziges Endlager. Ende 2013 soll damit begonnen werden, schwach- und mittelradio-aktiven Müll, der nur wenig Wärme produziert, in 800 Meter Tiefe einzulagern. Im Jahr 2040 dürfte die Kapazität von 300.000 Kubikmetern erschöpft sein.

Asse
Zum Müll, der im Schacht Konrad eingelagert werden soll, gehören 126.000 Fässer aus dem benachbarten ehemaligen Salzbergwerk Asse. Da die Asse einsturzgefährdet ist, müssen die Abfälle rasch herausgeholt werden. In den 60er und 70er Jahren sind die Fässer zum Teil achtlos abgeladen worden.

Morsleben
Das Salzbergwerk war zu DDR-Zeiten als Endlager ausgewiesen, auch in den 90er Jahren wurde dort Müll entsorgt. Nun wird es stillgelegt.

Gorleben
Der Salzstock ist als Endlager für stark radioaktiven Müll im Gespräch. Die Erkundung ruhte von 2000 bis 2010.
(Alexander Mäder)