Die Bundesregierung will Schacht Konrad nicht erweitern, um mehr schwach radioaktiven Atommüll dort einzulagern als geplant. Die zusätzliche Müllmenge soll stattdessen im zentralen Endlager landen. Das macht die Standortsuche nicht einfacher.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat das politische Projekt, um das es ihr heute geht, und ihre biografischen Daten zueinander in Beziehung gebracht. „Ich werde dann 98 Jahre alt sein“, sagt sie in der Bundespressekonferenz und lächelt. Gemeint ist das Jahr 2050. Dann soll das Endlager, für dessen Planung sie am Mittwoch wichtige Weichen neu gestellt hat, fertig sein – hoffentlich. Zwar hat die Bundesregierung an diesem Mittwoch das Nationale Entsorgungsprogramm beschlossen, das sie der Europäischen Kommission bis zum 23. August zuschicken muss. Aber Barbara Hendricks ist viel zu sehr Realistin, als dass sie unterstellen würde, damit ein für alle Mal klare Verhältnisse geschaffen zu haben.

 

Im Gegenteil dürfte der Ministerin, in deren Zuständigkeit auch die Reaktorsicherheit und die nukleare Entsorgung fallen, mit zunehmender Faktenkenntnis immer stärker dämmern, dass die politischen Festlegungen in diesem Themenfeld auf sandigem Boden stehen. Deshalb hütet Barbara Hendricks sich auch, bei ihrem Auftritt in der Bundespressekonferenz Garantien abzugeben. Zwar ist die schwarz-rote Bundesregierung ihrem Vorschlag gefolgt, im Schacht Konrad (nahe Salzgitter) nur so viel schwach und mittel radioaktiven Atommüll einzulagern, wie es die bisherigen Genehmigungen zulassen. Aber die Umweltministerin Hendricks weiß, dass der politische Wille noch keine Garantie dafür ist, dass dieses Ziel am Ende auch erreicht werden kann.

Die Menge des Abfalls wird sich wohl verdoppeln

Die Sachlage ist, wie immer in Fragen zur Endlagerung, kompliziert. Seit einiger Zeit zeichnet sich für die Regierung ab, dass statt der erwarteten 300 000 Kubikmeter schwach und mittel radioaktiven Müll, wahrscheinlich fast die doppelte Menge anfallen wird. Das liegt zum einen an Reststoffen aus der Urananreicherung (etwa 100 000 Kubikmeter), die eventuell als Atomabfall entsorgt werden müssen. Zum anderen sollen rund 200 000 Kubikmeter Abfälle aus dem maroden Bergwerk Asse herausgeholt und in ein sicheres Endlager umgebettet werden. Das sprengt das Fassungsvermögen von Schacht Konrad, das bisher als einziges Endlager für schwach und mittel radioaktive Stoffe vorgesehen ist. An diesem Mittwoch verkündete Hendricks nun die Entscheidung der Bundesregierung, den zusätzlichen Strahlenmüll nicht in der Schachtanlage bei Salzgitter, sondern im künftigen zentralen Endlager für hoch radioaktiven Müll unterbringen zu wollen. Damit ist nach den Worten von Barbara Hendricks die Richtung klar: „Eine Erweiterung von Konrad wollen wir vermeiden“, betonte sie. Allerdings könne sie nicht garantieren, dass Schacht Konrad „mit endgültiger Gewissheit“ ausscheide.

Und wenn kein geeigneter Standort gefunden wird?

Für die Suche nach einem zentralen Atomendlager hat das Folgen. Einfacher wird sie gewiss nicht. Derzeit erarbeitet die von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Endlagerkommission die Kriterien für die Endlagersuche. Die Kommission muss jetzt berücksichtigen, dass an dem gesuchten Standort sowohl der hoch- als auch der schwach radioaktive Müll untergebracht werden muss. Der hoch radioaktive Müll wird nach aktueller Prognose der Bundesregierung etwa 1100 Castorbehälter umfassen. Hinzu kommen wegen der neuen Planung 200 000 Kubikmeter mittel radioaktiver Atommüll aus der Asse und bis zu 100 000 Kubikmeter aus der Urananreicherung. Die unterzubringende Menge von Atommüll wächst stark, deshalb muss auch das Endlager größer werden. Ob und wie dies die Zahl der möglichen Standorte in Deutschland einschränkt, darüber kann zur Zeit nur spekuliert werden. Und wenn gar keiner gefunden würde? Dann hätte Barbara Hendricks nicht „mit endgültiger Gewissheit“ ausgeschlossen, dass Schacht Konrad doch noch erweitert werden muss.