Laut Recherchen von „Panorama“ und der „Süddeutschen Zeitung“ sind US-Standorte in Stuttgart und Ramstein „maßgeblich“ in die gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen in Afrika durch Drohnen eingebunden. Völkerrechtlich ist das laut einem Experten fragwürdig.

Hamburg/Stuttgart - Laut Recherchen des NDR-Politikmagazins „Panorama“ und der „Süddeutschen Zeitung“ sind US-Standorte in Deutschland „maßgeblich“ in die gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen in Afrika durch Drohnen eingebunden. So heißt es in einer am Donnerstagnachmittag versendeten Mitteilung der beiden Medien. Neben der Air-Force-Basis in Ramstein (Rheinland-Pfalz) ist dabei das Africa Command (kurz „Africom“) in Stuttgart involviert.

 

Seit 2011 steuere eine Flugleitzentrale auf dem deutschen US-Stützpunkt Ramstein auch Angriffe der US-Luftwaffe in Afrika, heißt es in der Mitteilung. Über eine spezielle Satelliten-Anlage halte der Pilot in den USA Kontakt zur Kampfdrohne am afrikanischen Einsatzort - und lenke sie zu den Personen, die getötet werden sollen. Ohne diese Satelliten-Relais-Station für unbemannte Flugobjekte „können Drohnen-Angriffe nicht durchgeführt werden“, heißt es in einem internen Papier der US Air Force, das „Panorama“ und der „SZ“ vorliegt.

Bis zu 29 Tote nach Drohnenangriffen

Es handelt sich laut den beiden Medien dabei um einen Bauplan, der weiter ausführt, dass eine temporäre Anlage diese Aufgaben bereits jetzt erfüllt und in sechs Monaten durch eine dauerhafte Installation ersetzt werden soll: „Die Ausführung dieses Projektes soll die Satelliten-Kommunikation mit Drohnen der Typen Predator (Raubtier), Reaper (Sensenmann) und Global Hawk (Globaler Habicht) langfristig verbessern und das gegenwärtige Provisorium ersetzen“, heißt es dort.

Seit Eröffnung der neuen Flugleitzentrale im Oktober 2011 seien in Somalia mindestens neun tödliche Drohnenangriffe durchgeführt worden, bei denen laut „SZ“ und „Panorama“ bis zu 29 Menschen starben. Präsident Barack Obama soll jeden dieser Einsätze persönlich abgezeichnet haben.

Stelle in Stuttgart frei – Aufgabe: Menschen töten

Aufgrund der extremen Geheimhaltung einzelner Operationen ist die genaue Rolle von Ramstein nicht in jedem Detail klar, heißt es. Das US-Militär habe aber gegenüber „Panorama“ und der „SZ“ versichert, dass für alle militärischen Operationen in Afrika die Verantwortung bei Africom in Stuttgart liege.

„Panorama“ und der „SZ“ liegen Stellenausschreibungen für „Geheimdienst-Analysten“ in Stuttgart vor, deren Job es sein soll, Ziele - auch Individuen - für die Ziellisten der Amerikaner zu „nominieren“. Insofern werden offenbar in Stuttgart gezielte Tötungen in Afrika geplant.

Rechtliche Fragen

Die Einbettung Deutschlands in das geheime Drohnenprogramm der USA wirft völkerrechtliche und strafrechtliche Fragen auf. Der Gießener Völkerrechtler Prof. Thilo Marauhn sagte zur „SZ“ und zu „Panorama“: „Die Tötung eines Terrorverdächtigen mithilfe einer bewaffneten Drohne außerhalb eines bewaffneten Konflikts kann - wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht dagegen protestiert - Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt sein.“

Die Bundesregierung habe laut der Pressemitteilung auf Nachfrage erklärt, sie habe keinerlei Anhaltspunkte, dass Drohnenangriffe über Deutschland geplant oder durchgeführt werden. Sie betone zugleich, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht der Grundsatz gelte, „dass von deutschem Staatsgebiet aus keine völkerrechtswidrigen militärischen Einsätze ausgehen dürfen.“

Dass Africom sein Hauptquartier in Stuttgart bezog, sollte vor sechs Jahren nicht öffentlich diskutiert werden. Das Auswärtige Amt empfahl laut Informationen von „SZ“ und „Panorama“ damals der US-Regierung, Deutschland als Standort von Africom nicht groß zu erwähnen. Das würde sonst zu „Schlagzeilen in der Presse“ und zu „unnötigen öffentlichen Debatten“ führen.