„Stuttgart ist am Marienplatz ein Stück Berlin“, sagt Antja Kimmich, die die Entwicklung am Kaiserbau vorantriebt. Eine Eckkneipe musste weichen, dafür soll eine Konzeptbar einziehen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - „Liebe Gäste, es ist soweit. Wir schließen am 25. November.“ Ein Schild an der Tür ist das letzte, was von zwölf Jahren „Treff bei Anna“ am Marienplatz übrig geblieben ist. Einige enttäuschte Zuschriften kamen dazu von Usern auf der Stuttgart-Süd-Seite der Stuttgarter Zeitung bei Facebook. „Neue Konzepte scheinen ja gerade schwer in Mode zu sein. Da muss ich wohl was Neues finden, wo ich zum Fußball rauchen darf“, schreibt Heinz zu den Fotos der geschlossenen Kneipe.

 

Vor einem Jahr hat die Landesbank Baden-Württemberg den Kaiserbau an die Berliner Immobilienfirma Copro-Gruppe verkauft. Die Familie Kimmich, die das Unternehmen leitet, hatte nach eigener Aussage keinen direkten Mietvertrag mit der Wirtin. Sie stand bei einer Stuttgarter Brauerei unter Vertrag und dieser ist fristgerecht Ende November ausgelaufen. Raus habe Anna Soussouridou nicht gewollt, weiß Antje Kimmich. Doch auch sie habe die Chance gehabt, ein gastronomisches Konzept für die rund 75 Quadratmeter große Fläche einzureichen. Da das Ehepaar Kimmich ein solches aber nicht bekommen hat, ist die Kneipe nun zu.

Ein Konzept haben Kneipen wie Annas Treff ohnehin nicht. Sie sind schlicht das zweite Wohnzimmer ihrer Stammgäste, die sich dort treffen. Einfach, um zu rauchen, um zu Hause nicht alleine zu sein, um Bier zu trinken und Fußball zu schauen. Doch so wie das Lokal bisher war, passt es nicht ins Gesamtvorhaben der Kimmichs. Sie haben eine konkrete Vorstellung, wie die Fläche genutzt werden soll: ein einzelnes, unabhängiges Restaurant soll hier eröffnen. „Stuttgart ist am Marienplatz ein Stück Berlin“, findet Antje Kimmich. Genau diese Atmosphäre wolle sie weiter transportieren. Mit einem neuen Konzept für den Kaiserbau wollen die Kimmichs den Marienplatz noch attraktiver machen. „Wir sind deshalb vor allem daran interessiert, die Außenbestuhlung voll auszunutzen“, sagte Antje Kimmich. Das belebe den Platz. Deshalb sei Gastronomie gut, die den ganzen Tag geöffnet habe.

Bald kommt noch eine Pizzeria hinzu

Der Marienplatz selbst hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Von einer kargen, leeren Fläche, auf der recht wenig passiert ist, hat er sich zu einem lebendigen Platz entwickelt. Das Eiscafé La Luna mitten auf dem Platz ist ein Lokal, das dazu beigetragen hat, das Vincafé Kaiserbau mit Eisdiele nebenan von Francesco Troiano ein anderes. Dieses ist gleichzeitig ein Restaurant, ein Café und eine Vinothek. Vor knapp zwölf Jahren hat Troiano das Café eröffnet, vor vier Jahren hat er die Eisdiele nebenan dazugekauft, recht schick ist es in beiden. Im Café gibt es ausgewählte Weine und Speisen mit Produkten aus der Region. Das Klientel: jung und alt gemischt, aber auf jeden Fall ganz anders als in Annas Treff. Im Frühling oder Anfang des Sommers will Troiano gemeinsam mit seiner Geschäftsführerin Martina Schneider auf der anderen Seite seines Cafés noch eine Pizzeria eröffnen. In diesem Bereich war bisher ein Tabakwarengeschäft mit Toto-Lotto-Annahmestelle. Die Pizzeria soll einfach und schlicht werden, sagt Martina Schneider: „Es wird dort nur Pizza und Salate geben.“

Auf der anderen Straßenseite hat sich ebenfalls einiges getan. Zu den Adressen Arigato und Galao hat sich vor knapp zwei Jahren an der Ecke Tübinger Straße/Marienplatz das Noir gesellt. Mit den Begriffen Cuisine & Bar wird das Lokal von seinen Betreibern bezeichnet. Ninette Sander, die auch den Club Schocken betreibt, und ihr Geschäftspartner Ralf Bauer fanden den Marienplatz ideal. „Im Sommer ist es dort sehr belebt“, sagt Sander. Die Gastronomin hofft, dass der Süden und vor allem der Marienplatz langfristig eine Alternative zur City wird. „Es gibt ja immer mehr dort“, sagt die 43-Jährige. „Eigentlich muss man nicht mehr in die Stadt gehen“, findet sie. Aus ihrer Sicht muss aber für eine weitere Entwicklung des Platzes nicht jede Eckkneipe weichen. „Die gehören dazu“, sagt Sander. Vor allem der Treff bei Anna sei eine Institution im Süden gewesen. Aus ihrer Sicht hätte der Kaiserbau die Kneipe durchaus tragen können. Dennoch ist sie froh, dass sich derzeit viel bewegt in dieser Ecke. „Gerade im Winter ist es für unser Restaurant noch schwierig“, gibt sie zu.

Hirut Weldebruck führt schräg gegenüber am Marienplatz 4 eine kleine Kneipe im Stil von Annas Treff. Die Café-Bar M profitiere zwar von der Schließung von Annas Treff, doch Weldebruck bedauert diese Entwicklung trotzdem. „Viele Gäste sind jetzt zwar bei uns, aber es ist schade, dass solche Kneipen verschwinden“, sagt die Wirtin. Sie finde gerade den Mischmasch toll, der bisher geherrscht habe. „Das gehört doch zu einem Stadtteil dazu.“ Dass ihrer Eckkneipe selbst das gleiche Schicksal blüht, glaubt sie wiederum nicht. „Bei mir ist das Publikum auch gemischter“, meint sie.