Wie zwei junge Griechinnen mit einer ungewöhnlichen Geschäftsidee der Rezession trotzen und anderen helfen, die Krise zu meistern.

Korinth - Verlassene Lagerhäuser, Schrotthalden und aufgegebene Werkstätten säumen den schmalen Weg, der am Stadtrand von Korinth vom Meer hinauf in die Hügellandschaft führt. Rostige Silos und eine kaputte Mühle ragen in den grauen Himmel. In dieser trostlosen Gegend, wo der wirtschaftliche Niedergang eines ganzen Landes zu besichtigen ist, suchen Woche für Woche Dutzende Griechen Hoffnung. Maria und Panagiota Vlachou sollen ihnen einen neuen Start verschaffen. „Die Schneckenköniginnen“ nennt man sie in Griechenland. Die Schneckenzucht ist das neue Geschäftsmodell in der Landwirtschaft, seit immer klarer wird, dass der Anbau von Tabak, Baumwolle oder Oliven künftig wegen ausbleibender Subventionen nicht mehr viel abwerfen wird.

 

Was hier oben auf den ersten Blick wie ein Feld voller Unkraut aussieht, ist ein Schneckenparadies: Abertausende der Weichtiere bevölkern scheinbar regungslos das grüne Blattwerk. Netze, die um das Feld gespannt sind, hindern die Tiere daran, im Schneckentempo das Weite zu suchen. Regelmäßige Duschen aus einer Sprinkleranlage halten die Tiere bei Laune. „Schnecken mögen Regen“, erklärt Maria Vlachou.

Schneckenzucht als Perspektive für viele Griechen

2006 – Maria Vlachou arbeitete gerade als Übersetzerin in Brüssel – rief die Schwester aus Korinth an: „Vielleicht sollten wir Schnecken züchten? Die Idee war geboren. Sie lässt die Schwestern nicht mehr los. Panagiota, genannt Penny, geht ins Internet, liest alles, was sie dort über die Schneckenzucht erfahren kann. Dann reisen die Schwestern nach Cherasco im Piemont, Italiens Schneckenhauptstadt. Dort belegen sie Kurse am Instituto Internazionale di Elicicoltura, dem Internationalen Institut für Schneckenzucht.



Die beiden jungen Frauen ahnen nicht, dass ihr Geschäftsmodell sechs Jahre später zur Hoffnungsperspektive für viele Griechinnen und Griechen werden wird. Maria und Penny haben eine pfiffige Idee. Sie bringen anderen bei, wie man Schnecken züchtet, liefern Knowhow und Ausrüstung. Im Gegenzug kaufen sie den Züchtern ihre Schnecken zu vorab vereinbarten Preisen ab und vermarkten sie. 70 Prozent gehen in den Export, an über 100 Hotels, Restaurants und Feinkostläden in Frankreich, Spanien, Italien und anderen Ländern. Einen Teil der Produktion verarbeiten die Schwestern in ihrer Firma Fereikos-Helix auch selbst zu Konserven. „Heute haben wir Verträge mit 168 Schneckenfarmen, berichtet Maria Vlachou. Und es werden ständig mehr. Jede Woche kommen rund 100 Interessenten nach Korinth. Wer dabei bleibt, die Arbeit nicht scheut und ein Jahr finanziell überbrücken kann, das bis zur ersten Schneckengeneration vergeht, kann von der Zucht leben.

„Auch wir werden von der Krise gebremst“, sagt Maria. Das neue Gebäude am Stadtrand von Korinth haben sie mit eigenem Geld gekauft, ohne Kredit, finanziert mit einer internationalen Förderung für Jungunternehmer. Bisher haben die Frauen keine Mitarbeiter entlassen müssen. Und arbeiten an der nächsten Geschäftsidee: Sie planen eine Kette von Feinkostläden in Europa, in denen sie außer Schnecken auch griechische Gewürze, Oliven, Marmelade, Käse und andere Biodelikatessen verkaufen wollen. Maria weiß auch schon, wo sie den ersten Laden eröffnen möchte: in Berlin.