Bei ihrer Premiere lockte die 300 Meter lange „City Slide“-Bahn mehr als 2000 Mutige an. Nicht alle Rutschpartien gingen ohne Blessuren über die Bühne.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Stuttgart -Aus den Lautsprecher-Boxen am Rand der Riesenrutsche wummern laute Beats, die Etzelstraße im Heusteigviertel ist von Bikinischönheiten und Badehosen-Boys bevölkert. „Zwei Minuten habt ihr noch, also bewegt euch!“ spornt der durchtrainierte Moderator am Start der 300 Meter langen „City Slide“- Bahn die mit blauen, grünen oder roten Bändchen am Handgelenk gekennzeichneten Wasserratten an, auch auf der letzten Rutschpartie noch mal alles zu geben.

 

Mehr als 2000 Besucher aus der ganzen Region Stuttgart sind am Sonntag zur Premiere der seit diesem Jahr durch deutsche Großstädte tourenden Spaßrutsche gekommen. Mit Rettungsringen unterm Hinterteil und gelben Badegiraffen unterm Bauch stürzen sie sich in die Tiefe.

Wirklich rasant flutscht es nur mit Anlauf

Wirklich rasant unterwegs sind allerdings nur wirklich wagemutige Badegäste, die am Start auch richtig Anlauf nehmen und sich mit Karacho auf ihren aufblasbaren Untersatz plumpsen lassen. Mit einem natürlichen Gefälle von 8,5 Prozent zählt die Etzelstraße unweit der Stadtbahnhaltestelle Bopser nämlich nicht gerade zu den steilsten Straßen in Stuttgart. Und das ist an Steigungen gewiss nicht arm.

Auf den meisten Freibadrutschen in der Region dürften Badegäste deshalb deutlich mehr Tempo aufnehmen als auf den am Sonntagmorgen mit 70 Helfern aufgebauten beiden Plastikbahnen im Heusteig-viertel. Dafür ist die erstmals in der Region gastierende Riesenrutsche deutlich länger – und durch den Eventcharakter ein Anziehungspunkt für ein vor allem jugendliches Publikum. Bei Sommerwetter mit strahlendem Sonnenschein und 27 Grad im Schatten liegt der Reiz der Wasserbahn auch am Spaß mit der Familie oder der Clique. Das Fotohandy ist bei der Rutschpartie immer im Einsatz, etliche Teilnehmer haben beim Schlittern durch die Wasserbahn sogar einen Selfiestick dabei, um sich beim City-Slide in Szene zu setzen.

8,5 Prozent Gefälle bietet die Etzelstraße den Wasserratten

„Die 8,5 Prozent Gefälle sind für uns optimal, ich will es gar nicht steiler haben“, sagt Markus Kaschke. Der Geschäftsführer des Veranstalters aus Hürth bei Köln ist mit dem vom Stuttgarter Rathaus vorgeschlagenen Standort sehr zufrieden. Stuttgart ist erst der vierte Auftritt mit der aus den USA importierten Idee, der 31-jährige Kaschke („Ich gehöre noch zur Zielgruppe“) spricht von einer „tollen Location“.

Knapp 300.000 Liter Wasser spült der Veranstalter während des achtstündigen Betriebs durch die beiden Plastikbahnen, um die Rutschbahn auch richtig schlüpfrig zu halten. 18 Ordner sollen darauf achten, dass bei der als „das Badespaß-Event des Jahres“ angekündigten Rutschpartie alles in geordneten Bahnen verläuft. Denn ein gewisses Risiko schwimmt beim Badespaß immer mit. Schon kurz nach 12 Uhr legt es einen Vater auf dem rutschigen Plastikuntergrund in die Horizontale, er schlägt mit dem Hinterkopf hart auf dem Boden auf. Die für den Rettungsdienst engagierten Malteser, mit zwölf Helfern aus Stuttgart, Kornwestheim und Korntal-Münchingen ausgerückt, haben es laut Einsatzleiter Andreas Auxoll aber vor allem mit Schürfwunden und Wespenstichen zu tun.

Nicht alle Rutschpartien verlaufen ohne Blessuren

Im Versorgungszelt der Hilfsorganisation am Streckenende sitzt aber schon kurz vor 14 Uhr auch eine junge Frau, die mit einer Stützkrause um den Hals auf den Transport zu einer vorsorglichen Untersuchung ins Krankenhaus wartet. Dass sich unmittelbar bei der Stadtbahnhaltestelle am Bopser eine Fachklinik für Wirbelsäulenchirurgie befindet, ist aber Zufall. „Das Problem ist immer, wenn sich auf der Strecke ein Stau bildet – und jemand mit hohem Tempo in langsame Gruppen rutscht“, betont Auxoll.

Allerdings wollen sich nicht alle Badegäste bei Blessuren auch helfen lassen. „Kommen Sie bitte mit, damit wir Ihnen helfen können“, redet ein Rettungshelfer mit Engelszungen auf eine auf den Asphalt gestürzte Mutter ein. Doch die Frau denkt trotz des Verdachts auf Gehirnerschütterung nicht daran, den Platz in der Schlange aufzugeben. Schließlich ist das Ticket für die Rutschpartie nicht ganz billig: 19,99 Euro werden für eine Zwei-Stunden-Karte für Erwachsene verlangt.

Trotz Verletzung die Wasserbahn-Gaudi genossen

Auch eine Frau aus Fellbach, die mit dem Nachwuchs zum City-Slide nach Stuttgart gekommen ist, trägt ein Pflaster am Zeh – allerdings nicht wegen der Wasserbahn, sondern weil sie auf dem Fußweg zurück schmerzhaft Bekanntschaft mit einem im Weg stehenden Werbeständer geschlossen hat. Den Spaß an der Veranstaltung hat der Fellbacherin die kleine Verletzung allerdings keineswegs verdorben. „Das hat schon richtig Laune gemacht – auch wenn ich das nicht jedes Jahr bräuchte“, sagt sie.

Veranstalter Markus Kaschke denkt schon über eine Neuauflage nach: Gut 95 Prozent der Tickets gingen schon im Vorverkauf weg, mit der Resonanz auf die Premiere kann der City-Slide-Geschäftsführer durchaus leben. „Theoretisch sind pro Zwei-Stunden-Slot bis zu 700 Besucher denkbar. Aber das erhöht die Wartezeit, bis man wieder rutschen kann“, weiß er. In Stuttgart dauert es am Sonntag zur ausverkauften Hauptzeit zwischen 14 und 16 Uhr etwa eine Viertelstunde, bis Wasserratten wieder an der Reihe sind. Das Gerücht, dass angeblich schon vor der Genehmigung auch Tickets verkauft wurden, weist Kaschke zurück. Den Besuchern jedenfalls macht die Riesenrutsche einen Riesenspaß: „Hey, ein paar Kurven wären noch geil“, meint ein Knirps auf dem Heimweg zu den Kumpels, „oder gleich ein Looping“.