Die 26-jährige Sibylle Randoll aus Vaihingen an der Enz reist ein halbes Jahr lang quer durch die USA auf den Spuren ihres Ur-Urgroßvaters. Sie will von dort bloggen, twittern und ein Online-Tagebuch führen – und zu besonderen Anlässen ein historisches Kleid von 1880 tragen.

Vaihingen/Enz - Ein kleines bisschen weiß Sibylle Randoll selbst noch nicht, was sie da gerade eigentlich plant. „Ich denke, das werde ich erst alles so richtig begreifen, wenn ich das Kleid anhabe und das Schiff betrete“, sagt die 26-Jährige mit einem strahlenden Lächeln. „Das Kleid“ bedeutet in ihrem Fall: ein maßgeschneidertes, originalgetreues, strahlend blaues Kleid im Stil der 1880er Jahre in den Vereinigten Staaten. Und „das alles“? Damit meint die Vaihingerin das wahrscheinlich spannendste Projekt ihres Lebens.

 

An diesem Mittwoch wird die Ökonomin mit Master in Tourismusmanagement aufbrechen, um sechs Monate lang auf den Spuren ihres Ururgroßvaters Otto Dahl quer durch die USA zu reisen. Ausgestattet ist sie dabei mit jenem altmodischen Gewand, nach dem sich viele Passanten beim Fototermin in der Vaihinger Innenstadt überrascht und erfreut umdrehen. Dazu mit einem nagelneuen Smartphone und einer Videokamera. Denn unterwegs wird gebloggt, getwittert und alles online (www.explories.de) dokumentiert.

Warum sie das tut, sie ihren Job in München kurzerhand gekündigt hat, um von Vaihingen aus diese Route zu planen, die sie in eine Zeit vor 136 Jahren zurückführen wird? „Ich suche nach etwas Einmaligem, vielleicht auch nach einem Abenteuer“, sagt sie. Dass sie gerne reist und schon 40 Länder gesehen hat – geschenkt: „Ich habe da einen Reiseführer, den niemand sonst hat, und der auch niemandem sonst etwas bedeuten würde“, sagt Sibylle Randoll.

Als ihr ganz individueller „Lonely Planet“-Reiseführer fungiert das Tagebuch ihres Vorfahren, Otto Dahl, Titel: „Meine Reise nach Amerika“. Eine Abschrift dieses umfangreichen Schriftstücks habe sie vor einigen Jahren von ihrer Großmutter zu Weihnachten bekommen. Erst viel später habe sie es wieder in die Hände genommen. Beim Lesen habe es sie wie ein Blitz getroffen: „Mein Ururgroßvater war damals auch 26, als er gereist ist – da dachte ich: jetzt ist der Zeitpunkt, auch zu reisen.“

„Work and Travel 1880“ nennt Sibylle Randoll das, was Otto Dahl damals tat. Als Sohn eines Wuppertaler Lederfabrikanten sei er von Dezember 1880 bis März 1882 nach Montana in die Stadt Bozeman gereist. Um sich fortzubilden über Lederherstellung, von zu Hause wegzukommen, ein Abenteuer zu erleben? Womöglich ein bisschen von alledem. Auch er führte Tagebuch – analog zwar, aber dafür mit handgefertigten Zeichnungen.

Und warum reist die Ururenkelin ihrem Vorfahren nach, von (Wuppertal-) Barmen nach Bozeman, und gewandet sich dabei in ein sperriges und extrem auffälliges Seidenkleid mit Unter- und Überrock, Korsett, Raffung, Leibchen, Jacke und Hut? „Ich denke, mit dem Kleid habe ich schon die halbe Geschichte erzählt.“ Sie trage das Gewand nicht sechs Monate am Stück, sondern nur bei besonderen Anlässen. „Das gibt dem Ganzen eine spezielle Note.“

Die Rückroute verlaufe im Übrigen nicht historisch korrekt in den Fußstapfen ihres Vorfahren. Damals ging die Eisenbahnlinie nur auf derselben Strecke zurück. Sie habe sich stattdessen eine Tour durch Nordostamerika vorgenommen, wo es noch ein aktiv gepflegtes deutsches Erbe gibt. Das „German Fest“ in Milwaukee etwa oder die bekannte „Steuben Parade“ in New York stehen auf ihrem Reiseplan. „Mein Dirndl habe ich auch dabei“, sagt Sibylle Randoll. Nicht authentisch ist definitiv auch ihr Reisevehikel über den Atlantik: Sie setzt mit der noblen Queen Mary II über. „Ich wollte eigentlich ein Containerschiff buchen“, sagt sie, „aber das hat leider nicht funktioniert.“