Werden Kartoffeln gespendet, ist das wie ein Feiertag. Der Göppinger Tafelladen der Caritas schickt jeden Tag seine Helfer auf Sammeltour – mit ungewissem Ertrag.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Das Außenthermometer zeigt acht Grad unter Null an, aber im Fahrerhaus des kleinen Transporters ist es mollig warm. Das liegt an der gut einstündigen Tour, die die beiden Mitarbeiter des Göppinger Carisatt-Tafelladens bereits hinter sich haben. Vier Bäckereien zwischen Faurndau und Rechberghausen haben Joachim Engelfried und Walter Freitag an diesem Morgen auf ihrer Sammeltour bereits abgeklappert und kistenweise Brotlaibe, Brötchen, Brezeln und süße Stückle zum Tafelladen der Caritas in die Gartenstraße gekarrt. Die Tage für den Tafelladen an dieser Adresse sind gezählt, denn der heruntergekommene Bau soll genauso wie die Nachbarhäuser dem geplanten Zentrum untere Marktstraße weichen, für das die Kreissparkasse Göppingen rund 20 Millionen Euro in die Hand nehmen will, um das Bahnhofsquartier städtebaulich aufzumöbeln.

 

Täglich kaufen 150 bis 180 Menschen ein

Die Kündigung zum 31. März liege schon auf dem Tisch, aber wo der Tafelladen künftig angesiedelt sein wird, darüber dürfe sie noch nicht sprechen, erläutert die stellvertretende Marktleiterin Karin Konrad die aktuelle Lage. Das sehr einfach ausgestattete Geschäft, der „Supermarkt für Arme“, wie es Konrad formuliert, versorgt jeden Tag von 11 bis 15 Uhr rund 150 bis 180 Menschen mit geringem Einkommen. Zu den Kunden gehörten Alleinerziehende, Rentner, Langzeitarbeitslose und neuerdings auch Flüchtlinge.

Bevor Konrads Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen sowie Ein-Euro-Jobbern die Ladentür öffnet, müssen die Lebensmittel erst einmal herangeschafft werden. Dazu stehen zwei Kühlfahrzeuge bereit, mit denen Zweierteams auf festen Routen jeden Morgen die Supermärkte anfahren, die mit dem Carisattladen kooperieren.

An diesem Morgen geht es zunächst nach Ebersbach. Bei Aldi an der Rampe stehen bereits einige Kisten bereit. Engelfried und Freitag füllen Eisbergsalat, Lauch und Champignons in die mitgebrachten Klappkisten und schon kutschiert Joachim Engelfried, der viele Jahre als Kraftfahrer tätig war, den Transporter weiter zum Rewemarkt. Die 150 Euro, die er für seine Dienste bekommt, seien ein wichtiger Beitrag zum Einkommen, denn vom Hartz-IV-Satz könne er kaum leben, bekennt der Geislinger. Bei Rewe angekommen, eilt Walter Freitag schnurstracks zum Lager. Während der frühere Leiter der katholischen Erwachsenenbildung im Kreis Göppingen im Kühlraum Äpfel und Gemüse in einen Einkaufswagen legt, berichtet er von seinem Entschluss, sich als ehrenamtlicher Helfer im Tafelladen zu engagieren.

Ruheständler will nützliche Arbeit leisten

„Ich hatte mir fest vorgenommen, ein halbes Jahr lang alle Anfragen in Sachen Ehrenamt abzuwehren“, denn er habe zunächst mal erleben wollen, wie es ihm mit der gewonnenen freien Zeit ergehe, erinnert sich der Ruheständler. Schließlich entschied er sich für diese praktisch orientierte Aufgabe, Gremienarbeit habe er in seinem 40-jährigen Berufsleben ja zur Genüge erledigt. „Hier sehe ich am Ende des Tages, was ich geleistet habe – und ich spüre es auch“, fügt er schmunzelnd hinzu, während er die letzte Kiste in den Transporter hievt.

Sich nützlich machen, auch wenn er gegen die Auswüchse der Überflussgesellschaft nicht viel ausrichten könne, sei sein Motiv. „Auch wenn nur eine Orange schlecht ist, wird im Discounter gleich das ganze Netz weggeworfen, die haben gar keine Zeit mehr zum Sortieren“, geißelt Freitag den Umgang mit Lebensmitteln und den „brutalen Anspruch der Kunden“, die das komplette Warensortiment noch bis zum Ladenschluss erwarteten. Einen Ort weiter, in Uhingen, wird Freitag von der dort zuständigen Rewemitarbeiterin freundlich begrüßt. „Heute habe ich leider nichts für Sie“ sagt die bedauernd, und es ist ihr anzumerken, dass sie das auch so meint. Offenbar nimmt der Warenüberschuss am Jahresanfang ab. Das bestätigt auch die Lidlmitarbeiterin beim Stopp in Faurndau, die nur ein paar Tüten Spinat, Karotten und Rettiche abzugeben ab. „Wenn es kalt ist, werden Obst und Gemüse teurer und es wird weniger davon gekauft“, erläutert sie die Auswirkungen des harten Winters, der auch die Erzeugerpreise im fernen Spanien steigen lasse.

Werden Kartoffeln gespendet, ist das wie ein Feiertag

Der letzte Halt der Betteltour führt diesmal zur Metzgerei Kick in die Marktstraße, wo die Chefin eine Ladung Bratwurst spendiert. Die Würste seien noch eine gute Woche lang haltbar, ruft sie Freitag zu, der sich auch hier freundlich für alles bedankt. Jetzt fehlen eigentlich nur noch Teigwaren oder Reis zu einer kompletten Mahlzeit, doch solche Grundnahrungsmittel, zu denen auch Zucker und Mehl zählen, können auf den Touren offenbar nur selten eingesammelt werden.

Wenn aber jemand dem Carisattladen gleich vier Zentner Kartoffeln spendiere, wie vor kurzen geschehen, dann sei das so wunderbar, als ob Ostern und Weihnachten auf einen Tag fielen, erklärt Karin Konrad, die im Laden alle Lebensmittel sichtet und sie nach dem Sortieren mit ihren Leuten zum Verkauf anbietet.