Wirtschaftsminister Nils Schmid ist mit einer Delegation in den Iran gereist, um Kontakte zu knüpfen. Iran ist reich an Rohstoffen, doch Ökonomen warnen vor einer zu raschen Modernisierung.

Stuttgart - Plötzlich ging alles ganz schnell. Kurz nach der Unterzeichnung des Atomvertrags mit dem Iran bereiste der deutsche Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit einer Wirtschaftsdelegation den Iran, was ihm – wegen seines Vorpreschens – Kritik einbrachte. Dabei war er gar nicht der Erste. Regierungsdelegationen aus Spanien oder Frankreich warteten gar nicht erst die Vertragsunterzeichnung am 14. Juli ab; sie sondierten teilweise Monate im Voraus die Lage in dem von dem jahrelangen Embargo gebeutelten Land. Jetzt hat sich der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid auf den Weg in den Iran gemacht. Knapp eine Woche lang wird er das Land bereisen; Stationen sind Teheran und Isfahan. In seinem Gefolge befinden sich 68 Vertreter aus der Politik, der Wirtschaft und von Wirtschaftsverbänden. Es geht darum, künftige Geschäftsbeziehungen anzubahnen.

 

Der Iran ist ein reiches und zugleich armes Land. Reich ist es an Rohstoffen. Im Boden des nahöstlichen Landes lagern die drittgrößten Erdölreserven weltweit. Nur Saudi-Arabien und Venezuela verfügen über noch mehr des schwarzen Goldes. Auch mit Gasvorkommen wurde der Iran reich bedacht; hier steht das Land gar auf Platz zwei der Rangliste der weltweit höchsten Reserven. Das kam und kommt nicht zuletzt der eigenen Bevölkerung zugute. In kaum einem anderen Land ist Energie so billig. Noch zu Beginn des Jahres kostete etwa ein Liter Diesel an den Zapfsäulen gerade mal neun Cent. Die Regierung hat die rund 80 Millionen Iraner über Subventionen an dem fossilen Reichtum teilhaben lassen. Mit der Folge, dass der Energieverbrauch des Landes weltweit an der Spitze liegt. Rund die Hälfte des geförderten Öls verbraucht der Iran selbst.

Es sind enorme Beträge, mit denen der Iran in der Vergangenheit die Preise für Energie und Grundnahrungsmittel gedrückt hat. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat einmal berichtet, dass die Preise so stark subventioniert wurden, dass – rein rechnerisch – eine vierköpfige Familie im Schnitt mit 4000 Dollar (rund 3550 Euro) jährlich profitierte. Wie enorm dieser Betrag ist, verdeutlicht ein Vergleich mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung. Dieses lag im vergangenen Jahr bei knapp 5000 Dollar lag, wie aus Unterlagen des deutschen Informationsdienstleisters Germany Trade and Invest (GTAI) hervorgeht.

Mittlerweile hat der Iran umgestellt; das einstige Gießkannenprinzip wurde von Einkommenstransfers abgelöst, erläutert Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. So seien in diesem Jahr die Spritpreise bereits um 40 Prozent gestiegen. „Die iranische Regierung ist zugänglich für ökonomische Argumente“, begrüßt Gern den Schritt. Das ist nicht zuletzt dem seit zwei Jahren amtierenden Präsidenten Hassan Ruhani zu verdanken. Er kann erste Erfolge vermelden. Die Wirtschaft, die durch die weitgehende globale Isolation sowie den Verfall der weltweiten Ölpreise in den vergangenen Jahren teilweise deutlich geschrumpft ist, ist zuletzt wieder leicht gewachsen, und die Inflation, die dramatisch hoch war, ist gesunken. Die Arbeitslosigkeit ist aber weiterhin ein großes Problem.

Die Menschen im Iran, die als ausgesprochen freundlich gelten, haben die Unterzeichnung des Atomvertrags begrüßt. In der Rückkehr in die Weltgemeinschaft sehen sie ihre Chance, dass sich ihre zuletzt erschwerten Lebensbedingungen wieder verbessern. Und beinahe euphorisch ist die Stimmung in der westlichen Wirtschaft. Die Unternehmen wollen die Geschäfte in dem Land ausbauen, dessen Industrie ein großer Erneuerungsbedarf nachgesagt wird. Nicht zuletzt deshalb sondiert der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid mit der Wirtschaftsdelegation derzeit die Lage vor Ort. Dem Iran, der in den vergangenen Jahren seine Geschäfte vor allem mit Ländern wie China ausgebaut hat, wird großes Interesse an deutscher Technologie nachgesagt.

Der IfW-Experte Gern bescheinigt dem Iran das Potenzial, sich schnell zu entwickeln. Die finanziellen Mittel dafür sind vorhanden. Zum einen sind auf internationalen Konten rund 90 Milliarden Dollar eingefroren, die frei gegeben werden können, wenn vermutlich im nächsten Jahr die Sanktionen fallen.

Zum anderen dürften die Einnahmen künftig durch Öl und Gas wieder kräftig sprudeln. Rund 2,6 Millionen Barrel Rohöl soll das Land derzeit am Tag fördern. Kurzfristig dürfte die Produktion um etwa eine Million Fass erhöht werden, schätzt Gern. Um die Produktion deutlich auszuweiten, müsse aber erst investiert werden. Nicht zuletzt müssten neue Quellen erschlossen werden – und das braucht Zeit. Die Investoren müssen dabei aber nicht warten, bis die Banken in den Iran zurückgekehrt sind, sagt Gern. Große Energieprojekte würden nicht über Banken finanziert. Nicht zuletzt die Ölgesellschaften selbst „sitzen auf eigenen Mitteln“, so der Wissenschaftler.

Der Volkswirt mahnt den Iran aber, behutsam bei der Öffnung der Wirtschaft vorzugehen. Es bestehe das Risiko, dass über den Rohstoffboom die Landeswährung Rial aufgewertet werde und dies die heimische Wirtschaft in die Knie zwinge, weil etwa importierte Autos damit günstiger als iranische angeboten werden könnten. Russland hat diese Erfahrung, die in Fachkreisen „Holländische Krankheit“ genannt wird, machen müssen. Der Iran müsse sich genügend Zeit nehmen, die lange abgeschottete eigene Industrie zu modernisieren, damit diese dann Produkte auf Weltmarktniveau anbieten könne.