Streit in Sindelfingen: Daimler hat eine Einigungsstelle angerufen, weil die Werksleitung und der Betriebsrat des Werks sich nicht auf Schichtpläne für das vierte Quartal einigen können. Das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben.

Stuttgart - Der schwächere Auftragseingang bei Mercedes-Benz hat eine heftige Auseinandersetzung zwischen Management und Betriebsrat im Werk Sindelfingen ausgelöst. Das Unternehmen hat nach Informationen der Stuttgarter Zeitung die Einigungsstelle angerufen, weil sich die Werksleitung mit dem Betriebsrat nicht über die Schichten im vierten Quartal dieses Jahres einigen kann. Dies hat es dem Vernehmen nach seit mehr als vier Jahrzehnten nicht gegeben.

 

Weil unklar ist, wie es mit der Beschäftigung in den kommenden Monaten weitergehen wird, sind auch mehrere Betriebsversammlungen für die Mitarbeiter aus der Produktion in diesem mit Abstand größten Werk des Stuttgarter Autoherstellers unterbrochen worden. Sie sollen erst fortgesetzt werden, wenn der Konflikt über die Schichtpläne beigelegt ist. Das Unternehmen wollte sich nicht im Detail zu diesem Thema äußern, sondern beschränkte sich auf die Aussage, dass noch mit dem Betriebsrat verhandelt werde.

Die Betriebsversammlungen für die einzelnen Bereiche des Werks mit rund 23 000 Mitarbeitern waren mit großer Spannung erwartet worden, nachdem Daimler-Chef Dieter Zetsche in der vergangenen Woche überraschend angekündigt hatte, dass die Autosparte Mercedes-Benz Cars das in diesem Jahr angepeilte Gewinnziel nicht erreichen werde. Zetsche hatte die Gewinnwarnung damit begründet, dass das Geschäft auf dem europäischen Markt zunehmend schwieriger werde. Zudem habe sich der Wettbewerb in China deutlich verschärft.

Einige Modelle befinden sich in einer ungünstigen Phase

Dies trifft offenbar vor allem die Limousinen der Oberklasse, die am meisten Gewinn bringen. Die in Sindelfingen gefertigten Modelle der C-, E- und S-Klasse befinden sich gerade in einer ungünstigen Phase ihres Lebenszyklus’. Sie sind nicht so frisch wie die Wagen der Wettbewerber. Die neue Generation der S-Klasse kommt im nächsten Jahr auf den Markt, die E-Klasse soll im nächsten Frühjahr ein umfassendes Facelift erhalten, und die C-Klasse wird in zwei Jahren erneuert. Ein Unternehmenssprecher wollte sich nicht zu den Aussichten für Sindelfingen äußern.

Die Stimmung unter der Belegschaft im Sindelfinger Werk sei schlecht, berichtete ein Mitarbeiter aus der E-Klasse-Montage. „Seit einigen Wochen“, so der Beschäftigte, „merken wir, dass es abwärts geht“. In der vergangenen Woche sei die Freitagsschicht gestrichen worden. Auch ein eigentlich zusätzlich vereinbarter Samstag falle nun weg. In den Herbstferien solle nun nur im Einschichtbetrieb gearbeitet werden. „Das bedeutet für uns Einkommenseinbußen, weil die Spätschichtzulagen wegfallen,“ sagte der Mitarbeiter.

Besonders schlimm sei die Lage jedoch bei der S-Klasse. „Dort haben die meisten hundert Minusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto, weil es an Arbeit fehlt.“ Nun möchte die Werksleitung dort nach Angaben des Mitarbeiters für längere Zeit den Einschichtbetrieb einführen. Unter den Kollegen herrsche Angst, sagte der Mitarbeiter. „Die Leiharbeiter fürchten um ihren Job. Die Festangestellten befürchten Einkommensverluste durch Kurzarbeit oder Einschichtbetrieb.“ Es sei auch im Gespräch, die Weihnachtsferien in diesem Jahr auszudehnen. Es sei von dreieinhalb Wochen Pause die Rede.