Ein 65-Jähriger veruntreut mit Hilfe einer Vollmacht rund 70 000 Euro. Er wäre fast im Gefängnis gelandet, darf sich aber noch einmal bewähren. Die Erben kämpfen in einem Zivilverfahren um 114 000 Euro.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Abbuchungen zeugen von einem aktiven Leben: 500 Euro für den Golfclub, 150 Euro für ein Paar Schuhe, 266 Euro gehen an das Squash-Center und fast 700 Euro an einen Reiseanbieter in Schottland. Aber der Kontoinhaber lebt zu diesem Zeitpunkt in einem Pflegeheim in Schönaich. Seinem Böblinger Neffen hat er eine Generalvollmacht ausgehändigt, und der heute 65-Jährige nutzt sie über Jahre hinweg sehr rege. So rege, dass er sich vor dem Amtsgericht dafür verantworten muss: Mehr als 70 000 Euro soll er vom Vermögen seines Onkels veruntreut haben. „Sie haben gedacht, es ist ein Selbstbedienungsladen“, erklärt der Richter dem Angeklagten das Urteil. Seine Strafe beläuft sich auf ein Jahr und zehn Monate Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

 

Der Golfclub ist nicht einmal in der Anklage

Die Staatsanwaltschaft hat die Ausgaben für den Golfclub nicht einmal in die Anklage aufgenommen. Sie konzentrierte sich auf die größten Brocken: den Erlös für das verkaufte Haus des Onkels und die Kosten für den Fuhrpark des Neffen. Denn kaum war der damals 83-Jährige in das Pflegeheim gezogen, ließ sein Verwandter dessen Eigentum in Schönaich schätzen. Als der Senior dann im Sommer 2009 einen Schlaganfall erlitt, verkaufte er es für 55 000 Euro – an seinen Schwager. Dass der Bruder der Frau die Immobilie für fast das Doppelte weiter veräußerte, wie der mit dem Fall befasste Kommissar berichtet, ist in dem Fall nur eine Randnotiz. Der Angeklagte nutzte den Erlös, um Schulden zu tilgen und der Tochter etwas zuzustecken. Dabei gab es ein Testament: Die Schwester und der Bruder der verstorbenen Frau des Onkels hätten das Haus erben sollen. Doch der Vollmacht des Neffen, dessen Vater der Bruder des pflegebedürftigen Mannes war, konnten sie nichts entgegensetzen. Er behauptete, die Rente reiche nicht für das Pflegeheim aus.

„Der Onkel hat gesagt, ich kann nehmen, was ich will“, erklärt der Angeklagte. Dazu gehörte seiner Ansicht nach auch ein Fuhrpark von zwei bis drei Autos, die er im Namen des Seniors bei dessen früherem Arbeitgeber Daimler mietete. Allein dafür gab er in zwei Jahren mehr als 20 000 Euro aus. Er sei der einzige aus der Familie gewesen, der sich um den Onkel gekümmert habe, sagt der 65-Jährige vor Gericht. Aufgrund seiner Ausgaben konnten tatsächlich die Rechnungen des Pflegeheims nicht mehr bezahlt werden, obwohl die Rente so hoch war, dass sogar 400 Euro im Monat übrig blieben.

„Er verstand nicht, warum sein Haus weg ist.“

Die Senioreneinrichtung schaltete deshalb einen Berufsbetreuer ein. Der alte Mann sei sehr unruhig gewesen, weil er glaubte, kein Geld mehr zu haben, berichtet der Anwalt als Zeuge: „Er verstand auch nicht, warum sein Haus weg ist.“ Der Jurist erstattete Strafanzeige, weil der Neffe die Unterlagen nicht offen legte. Finanzielle Probleme räumt der Angeklagte ein, der als technischer Zeichner ein Büro mit zwei Angestellten betrieb. Aber er habe alles in Absprache mit dem Onkel gemacht, der Erlös aus dem Hausverkauf sei ein Darlehen gewesen. Ansonsten hat er fast alles vergessen – und legt ein Attest über eine Alzheimer-Erkrankung vor. „Entweder Sie spielen mir etwas vor oder Sie sind eine tickende Zeitbombe“, ruft der Richter. Denn der Angeklagte fährt trotz der Diagnose Auto.

Für den Staatsanwalt ist die Untreue so gravierend, dass er den 65-Jährigen für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis schicken will. In einer eidesstattlichen Versicherung hatte er verschwiegen, dass er längst sein Haus an die Tochter verkauft hatte. Für die Erben gibt es dadurch bei ihm wenig zu holen, das Pflegeheim hat zudem eine offene Rechnung von 15 000 Euro. Als „ungeschicktes Finanzgebaren, das nicht richtig war“, bezeichnet dagegen sein Anwalt die Taten, denen der Onkel zugestimmt habe. Außerdem hätte der Angeklagte viel zurückgezahlt. Der Richter hegt hingegen keinen Zweifel: „Da spricht vieles für eine hohe kriminelle Energie.“ In einem Zivilverfahren haben die Erben bereits einen Vergleich über 23 000 Euro als Kompensation für das angebliche Darlehen erreicht. Bald folgt der zweite Prozess: Die Erben fordern 114 000 Euro zurück, darunter die Ausgaben für den Golfclub.