Milla und Partner im Heusteigviertel hat die „soziale Skulptur“ in Berlin zur Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 entworfen. Nach fünf Jahren Planung und kurz vor Baubeginn kommt nun das Aus durch die Politik.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Berlin - Das Einheitsdenkmal in Berlin ist gestoppt. Der ebenso großzügige wie überraschende Entwurf des Stuttgarter Ideenexperten Johannes Milla und seines Projektpartners Sebastian Letz, die „Einheitswippe“, ist an den Schwierigkeiten des Geländes, vor allem aber an den Widrigkeiten in den zuständigen Verwaltungen und schließlich am mangelnden Mut der politischen Gremien gescheitert.

 

Am Mittwochabend hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages einstimmig beschlossen, trotz erteilter Baugenehmigung und baufertiger Planung die nötigen Mittel für den Bau des „Freiheits- und Einheitsdenkmals“ nicht freizugeben und die Bundesregierung aufzufordern, jede weitere Planung daran einzustellen. Damit ist der Vertrag zwischen dem Bundesbauministerium und der Agentur Milla & amp; Partner im Stuttgarter Heusteigviertel hinfällig. Johannes Milla: „Die finale Freigabe der Haushaltsmittel durch den Ausschuss ist bei solchen Projekten des Bundes immer der erforderliche Zwischenschritt. Der wurde nun verweigert.“

Ausschlaggebend für den Beschluss in Berlin (der Ausschuss tagte nicht öffentlich) war offenbar ein Bericht des Finanzministeriums über einen Anstieg der Denkmalskosten von 10 auf 15 Millionen Euro. Johannes Milla selbst widerspricht aber dieser Rechnung. „Von dieser Summe und damit einer Kostenexplosion ist uns nichts bekannt. Es gibt Mehraufwand, der durch Auflagen der Denkmal- und Naturschützer entstanden ist, aber unsere Bausumme liegt mit 11 Millionen noch sehr nahe an den vor sieben Jahren vom Parlament freigegebenen 10 Millionen. Bei der Komplexität des historischen Baugrundes und einer Berücksichtigung der Preissteigerung ist das ganz im Rahmen.“ Eine Gelegenheit zur Stellungnahme vorab sehen die parlamentarischen Regularien nicht vor. Stattdessen äußerte sich der CDU-Abgeordnete Rüdiger Krause hinterher im Deutschlandfunk, der Milla-Entwurf sei „einfach nicht so genial“, dass man einen höheren Preis für seine Umsetzung tragen wolle.

Eine neue Form des Bürger-Denkmals

Hier ist wohl genau der Punkt: Millas Idee, ursprünglich gemeinsam entwickelt mit der Choreografin Sasha Waltz, geht einfach weit über das hinaus, was sich die meisten verantwortlichen Politiker unter einem Einheitsdenkmal vorstellen können. Hier sollte kein Steinmonument entstehen, sollten keine heroischen Figuren die Hände gen Himmel recken oder bunte Fahnen wehen. Hier sollte im Herzen der Hauptstadt eine große begehbare Fläche entstehen, auf der die Bürger flanieren können, – und die sich langsam, aber sicher bewegt, je nachdem, welche Richtung die Bürger mehrheitlich nehmen: eine „soziale Skulptur“. Und der Platz für diese ganz neue, eigene Form eines Bürger-Denkmals sollte just an jener Stelle sein, wo in früheren Jahrzehnten auf hohem Sockel ein großer, hohler deutscher Kaiser den Passanten Respekt einzuflößen getrachtet hatte.

„Einheitswippe“ wurde Millas Entwurf schnell tituliert. Einerseits typisch Berliner Schnauze, dort wird halt für jedes Bauwerk ein flotter Name gesucht und gefunden. Aber in der „Einheitswippe“ schwang von Anfang an beides mit: Respekt und Herabsetzung. Die meisten deutschen Feuilletons verrissen den Entwurf, die Berliner Publizistik störte sich ohnehin an der Idee, die Idee eines so zentral positionierten Baukörpers könnte ausgerechnet aus Stuttgart stammen.

Von Beginn an hakt es bei der Umsetzung

In nicht enden wollenden Gesprächen und Sitzungen hat Johannes Milla geworben und überzeugt, 2011 den Ausschreibungs-Wettbewerb gewonnen. Seitdem hakte es bei Planung und Umsetzung. Die Idee musste in einen technisch praktikablen Entwurf umgesetzt werden. Das gelang. Fragen der Sicherheit und immer wieder neue Regeln der Barrierefreiheit waren zu klären. Vor allem musste mit den notorisch überforderten Behörden des Stadtstaates Berlin zusammengearbeitet werden. Ausgerechnet der noch vorhandene Sockel des alten Kaiserdenkmals machte Probleme. Fledermausfamilien wurden dort entdeckt, der Denkmalschutz legte wilhelminische Mosaiken frei.

Den Vorwurf, die aktuellen Schwierigkeiten der Planer nur als Vorwand zu nehmen, um einen grundsätzlich von ihnen ungeliebten Entwurf zu beerdigen, werden die Haushaltsexperten aushalten. Die große Mehrheit der Bevölkerung teilt zweifellos ihre Auffassung, dass Kunst eigentlich nichts kosten darf. Eva Högl, die Berliner Bundestagsabgeordnete der SPD, jubelt in einer Stellungnahmes, endlich würde nun wahr, was sich ohnehin die meisten Bürger der Hauptstadt wünschten: vor dem gerade wieder in die Höhe wachsenden Berliner Schloss schön viel freie Fläche zum Flanieren und Entspannen. Das Herz der Hauptstadt als Grillplatz.

Das Denkmal war ein wichtiger Kontrapunkt

Das ist just der zweite große Schaden, den der Haushaltausschuss des Bundestages in Kauf nimmt: Das Einheitsdenkmal hatte ja seinen besonderen Platz – am Spreeufer direkt vor der auf alt getrimmten Fassade des Preußen-Schlosses, hinter der in einem modernen Betonbau künftig das multikulturelle Humboldt-Forum seinen Platz finden soll. Über die Idee, am zentralen Platz der Hauptstadt barocke Pracht- und Herrschaftsfassade als Theaterarchitektur aus der Retorte auferstehen zu lassen, wurde lange gestritten; der Bundestag hat es schließlich so entschieden. Millas Einheitsdenkmal mitten vor dem Schloss war dazu immerhin ein wichtiger Kontrapunkt – als Platz und Ort der Demokratie. Es wäre zweifellos ein Treffpunkt für Berliner und ihrer Gäste geworden, rund um die Uhr lebendig.

Monika Grütters, die politisch zuständige Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, erklärt am Tag nach der Entscheidung: „Dies trifft viele enthusiastische Beteiligte und Befürworter, die dieses Projekt initiiert und über die Jahre begleitet haben.“ Ansonsten empfiehlt sie nun als „Mahnmal für die deutsche Freiheit“ das Brandenburger Tor.

Just dies sieht Johannes Milla etwas anders: „Wir wollten an ein positives, freudiges Ereignis und den Mut der DDR-Bürger erinnern und nicht ermahnen“. Eine offizielle Unterrichtung aus Berlin liegt ihm am Donnerstag nicht vor, er hat alles bisher nur aus der Presse erfahren. „Auf den Tag genau vor fünf Jahren haben wir den Wettbewerb gewonnen.“ Sein Gemütszustand? „Erschüttert – dass ein für die Erinnerung und politische Kultur so wichtiges Projekt in der Mitte Berlins von Haushältern wegen vergleichsweise geringer Summer im Handumdrehen beseitigt wird.“