Der Neckar soll als Transportweg an Bedeutung gewinnen, deshalb will man die Schleusen ausbauen. Doch jetzt wurden die Pläne geändert.

Stuttgart - Die Proteste gegen die Bundesregierung wegen ihrer Haltung zur Binnenschifffahrt auf dem Neckar häufen sich. Die Entrüstung bei allen Beteiligten und Betroffenen ist groß, von der Metropolregion Stuttgart über das Land Baden-Württemberg bis zur Landeshauptstadt, die bereits im Frühjahr eine Resolution zum Thema verfasst hat. Auf Einladung des Landes-CDU unter ihrem Vorsitzenden Peter Hauk ist Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster am Freitag erneut am Stuttgarter Hafen, um für den termingerechten Ausbau der Wasserstraße zu werben und deren zentrale Bedeutung für die Region klarzumachen. Erst jüngst hatten bereits der SPD-Finanzminister Nils Schmidt und Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann unisono grünes Licht für das "wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Projekt" gefordert.

Der Neckar soll als Transportweg an Bedeutung gewinnen und ensprechend ausgebaut werden - das ist bereits im Jahr 2007 zwischen der damaligen Landesregierung und dem Bundesverkehrsministerium unter dem Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) vereinbart worden. Spätestens bis zum Jahr 2025 sollten demzufolge alle 27 Schleusen zwischen Mannheim-Freudenheim und Plochingen auf 140 Meter verlängert werden, um auch den Neckar für die auf den großen Wasserstraßen wie Rhein oder Mosel verbreiteten 135-Meter-Lastkähne zu erschließen. Bisher sind die Schleusenkammern lediglich für 105 Meter lange Schiffe ausgelegt. Zudem müssen die meisten der alten Schleusen dringend saniert werden.

 

Das letzte Stück als Nebennetz gedacht

Auf rund 650 Millionen Euro bezifferte der Bund seinerzeit die Gesamtkosten für den Ausbau des Neckars - der sich nun im besten Fall erheblich zu verzögern scheint. Spätestens nächstes Frühjahr sollte eigentlich mit dem Ausbau begonnen werden, was aber vor wenigen Wochen durch ein Reformpapier der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, das zum Ressort des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) gehört, in Frage gestellt wurde.

Dieser hatte aus Spargründen sämtliche Wasserstraßen in neue Kategorien eingeteilt, die wiederum über die Verteilung von Investitionsmitteln entscheiden. In das Hauptnetz fällt demnach nur noch der Abschnitt bis Heilbronn. Bis Stuttgart ist der Neckar laut Vorlage nur noch Ergänzungsnetz, in dem lediglich „optimiert werden“ soll. Und das letzte Stück bis Plochingen ist als Nebennetz ausgewiesen, für das gar kein Ausbau vorgesehen ist.

"Zeitnaher und vollständiger Ausbau"

Während nun auf Bundesebene heftig über den Reformvorschlag und die Folgen diskutiert wird, fordern immer mehr Institutionen und Politiker der Kommunen und des Landes vehement den „zeitnahen und vollständigen Ausbau“ des Neckars. „Wir brauchen die Sanierung und die Schleusenverlängerung dringend“, betont etwa Jeanette Wopperer, Regionaldirektorin des Verbands Region Stuttgart. „Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn die geplante Maßnahme nicht zeitnah erfolgt.“ Der Neckar könne nur dann eine zentrale Verkehrsfunktion übernehmen und damit auch die Fernstraßen entlasten, wenn er zeitnah ausgebaut wird, sagt Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Und auch der stellvertretende Landtagspräsident Wolfgang Drexler fordert, „dass der Ausbau nicht in Heilbronn Halt machen darf.“

Für den Schleusenausbau mobil macht auch die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Ute Kumpf (SPD), die jüngst ebenfalls etliche Mitstreiter und Bezirksvorsteher aus den Stadtteilen am Neckar in die Hafenverwaltung am Wangener Westkai geladen hatte. Die Bundesregierung grabe seit Anfang des Jahres mit ihren Sparplänen für die Binnenschiffahrt der Region das Wasser ab, sagte sie bei ihrem Besuch. „Wenn der Schleusenausbau tatsächlich zweistufig umgesetzt werden soll, wird die Neckarertüchtigung zu Fall gebracht.“ Die Modernisierung des Neckars sei eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der nächsten Jahre für Baden-Württemberg. „Die Bundesregierung darf den ausgehandelten Vertrag nicht brechen.“