Man kann eine Lehre auch in Teilzeit machen. Aber das wissen nur wenige. Im Südwesten will ein Modell der Arbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik hier Abhilfe schaffen.

Stuttgart - In Baden-Württemberg leben 12 500 alleinerziehende Mütter, die keine Berufsausbildung haben. Schlummert hier Potenzial, das man den lauter werdenden Klagen über einen wachsenden Mangel an Fachkräften entgegenstellen könnte? Jedenfalls hat der Gesetzgeber es schon vor Jahren ermöglicht, eine Berufsausbildung auch in Teilzeit zu machen. Er dachte dabei an Alleinerziehende oder Menschen, die einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen und darum zeitlich unflexibel sind. Diese Möglichkeit gibt es seit 2005. In Baden-Württemberg sind im Jahr aber nur 300 Teilzeitlehrstellen besetzt, weil kaum jemand von dieser Möglichkeit weiß.

 

Das jedenfalls ist der Eindruck von Ulrike Sammet und Sibylle Hahn. Sammet ist Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik. Das ist die Dachorganisation und das Sprachrohr der im Südwesten tätigen Träger von Jugendhilfeeinrichtungen, die sich vornehmlich an Mädchen richten. Die Arbeitsgemeinschaft ist vom Bundesforschungsministerium mit einem Modellversuch beauftragt worden, der sich den Problemen der Teilzeitausbildung junger Mütter und Väter zuwendet. Dafür ist Hahn verantwortlich.

Teilzeitausbildungsstellen sind oft nicht bekannt

Um genau zu sein, muss man erwähnen, dass die 300 Teilzeitausbildungsplätze im Land nur geschätzt sind. 200 Lehrstellen werden von dem Modell erfasst. „Wir schätzen, dass wir von hundert anderen einfach nichts wissen“, sagt Hahn. Dass es weitere geben muss, scheint dann auf, wenn etwa eine Zeitung darüber berichtet, dass ein Betrieb in Teilzeit ausbildet.

Die Betroffenen – meist junge alleinstehende Mütter und kaum Väter – haben ein Handicap: ihr Kind. Oft hätten sie eine gute Schulbildung hinter sich, gute Zeugnisse und auch vom Leben einiges gesehen. Sie seien ehrgeizig und lernbereit. Aber sie haben nicht die Zeit für einen Vollzeitjob und wissen auch nicht, dass es in dieser Situation andere Möglichkeiten gibt.

Das allein würde es aber auch nicht richten. Denn um diesen Weg zum Beruf gehen zu können, müsse man sich durch einen Dschungel von Anträgen kämpfen. „Da muss man sich richtig auskennen; das ist wie ein Studium“, sagt Sammet. Da sind Alleinstehende schnell an ihren Grenzen.

Oft ist der Besuch der Berufsschule ein Engpass

Aber auch auf der anderen Seite gebe es große Unwägbarkeiten. Auch in den Betrieben gebe es viel Unkenntnis. So würden, beobachten die zwei Frauen, zum Beispiel die für die Berufsausbildung zuständigen Kammern ganz unterschiedlich vorgehen. Die Industrie- und Handelskammer in einer Region tritt womöglich ganz anders auf als die in der Nachbarregion oder auch anders als die Zahnärztekammer im gleichen Bezirk. „Nicht selten hängt die Bewilligung einer Teilzeitausbildung in bestimmten Berufssparten vom Kenntnisstand einzelner Mitarbeiter oder von deren Engagement ab“, erzählen die Frauen.

Selbst, wenn sich Betrieb und Auszubildende finden, muss das nicht zum Erfolg führen. Zur Lehre gehört der Besuch der Berufsschule. Die wird hier an einem festen Tag in der Woche abgehalten – was den Alleinerziehenden entgegenkommt; dort zieht sie sich als Blockveranstaltung über ein Vierteljahr hin. Wer bei der öffentlichen Hand lernt, muss auf eine von drei Verwaltungsschulen im Land. Die Mädchenpolitikerinnen wollen bei Gewerkschaften, Berufsschulen, Regierungspräsidien und dem Kultusministerium ein Problembewusstsein dafür schaffen, dass dies für Alleinerziehende ein Engpass ist.

In der Praxis ist die Teilzeitausbildung also „noch ganz weit weg von der regulären Form“, wie sie das Berufsbildungsgesetz als Ziel ausgibt. Es bietet zwei Möglichkeiten. Die Teilzeitausbildung soll regulär ohne Verlängerung der Lehrzeit ablaufen, also genauso lange dauern wie die Vollzeitausbildung. Einschließlich Berufsschule beträgt die Wochenarbeitszeit mindestens 25 und maximal 30 Stunden. Teilzeit kann sich dabei auf die Wochen- oder die tägliche Arbeitszeit beziehen. Wenn nicht zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der verkürzten Zeit erreicht werden kann, kann die Berufsausbildung auch verlängert werden. Dann würde die Lehre zum Beispiel vier statt drei Jahre dauern. „Das ist aber meistens nicht nötig, weil die Frauen motiviert sind“, sagt Hahn.

Ein Netzwerk soll Abhilfe schaffen

Ein Ziel des Modells ist, ein Netzwerk aufzubauen. Darin tauschen Engagierte und Interessierte Informationen und Erfahrungen aus. Rund 40 Organisationen sind aktuell in diesem Netzwerk vertreten: Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt verschiedener Arbeitsagenturen, Organisationen der Arbeitslosenselbsthilfe, Diakonische Einrichtungen, Caritas-Verbände oder einzelne Kontaktstellen Frau und Beruf.

Diese Einrichtungen übernehmen die eigentliche Arbeit vor Ort. Sie kümmern sich um Betriebe – kleine und mittlere stehen im Fokus – und begleiten Auszubildende sozialpädagogisch, sie helfen zum Beispiel, wenn es Stress gibt mit der Kinderbetreuung oder beim Ausfüllen von verschiedenen Anträgen. „Das Bedürfnis nach Austausch ist spürbar“, sagt Sammet. „Wir haben mal ,Hier‘ gerufen, und schon waren alle da“, berichtet Hahn.