Die Arbeitnehmervertreter fürchten um die spezielle „Kärcher-Kultur“, falls die Gewerkschaft einen Fuß in das Unternehmen hinein bekommt. Sie wollen keine „dritte Kraft“ in der Firma neben Geschäftsführung und Betriebsrat.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die Haltung des Betriebsrats überrascht mich schon“, sagt Matthias Fuchs. Fuchs ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Waiblingen und fühlt sich als solcher auch für den Reinigungsgerätehersteller Kärcher im nahen Winnenden verantwortlich. Was den Gewerkschafter überrascht, ist die Weigerung des Betriebsrats, wie von ihm gewünscht, im Herbst eine Betriebsversammlung abzuhalten. „Wir haben Mitglieder bei Kärcher, für deren Interessen wir uns einsetzen wollen“, erklärt Fuchs. Hans-Jörg Ziegler, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, weiß nicht, ob es im Hause Kärcher Gewerkschaftsmitglieder gibt: „Bisher hat sich noch keiner geoutet“, sagt Ziegler, der auch Betriebsratschef des Werks Winnenden ist. Dass dies möglicherweise aus Angst vor Nachteilen geschehen sein könnte, glaubt er nicht.

 

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende betont zudem, wie nötig und wichtig Gewerkschaften grundsätzlich seien. Nur: „Bei einem Familienunternehmen, bei dem der Herr Kärcher noch jeden Tag in den Betrieb kommt, ist das eben anders als bei einem anonymen Dax-Konzern.“ Ziegler arbeitet seit 43 Jahren bei dem Hersteller von Reinigungsgeräten, hat dort Mechaniker gelernt und ist später zum Leiter der Logistik im Werk Winnenden aufgestiegen. Seit 2010 ist er freigestellter Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. Wie er sind auch die anderen Mitglieder der Arbeitnehmervertretung schon lange bei Kärcher beschäftigt, „alte Hasen“, wie Ziegler sagt.

Spezielle „Kärcher-Kultur“

Und die „alten Hasen“ haben tatsächlich schon einiges erreicht, das sie sich auf ihre Fahnen schreiben: Für die deutschen Werke gibt es eine Standortsicherung bis 2016, 180 Leiharbeiter wurden bisher übernommen, seit 2006 alle Lehrlinge. Im Arbeitgeberverband ist das Unternehmen nicht. Die zwischen Arbeitgebern und der Gewerkschaft vereinbarten Tarifverträge werden nicht automatisch übernommen, aber „nach harten Verhandlungen mit der Geschäftsführung“ hat Ziegler in der Tasche, was er will – eine Abmachung, die sich an den Tarifverträgen orientiert und noch einen Bonus obendrauf setzt.

Gearbeitet wird vom Tarifvertrag abweichend 40 Stunden in der Woche, bezahlt werden in einem ersten Schritt 37,5 Stunden. Den Rest können sich die Mitarbeiter auszahlen lassen oder für die Rente verwenden. All dies ist für Ziegler Teil der speziellen „Kärcher-Kultur“. Diese, fürchtet er, gerate in Gefahr, bekomme erst die Gewerkschaft einen Fuß in die Tür. Mit der „Kärcher-Kultur“, mit der Mitarbeiter und Unternehmen bisher gut gefahren seien, dürften deshalb „keine Experimente“ gemacht werden, heißt es in einer Bekanntmachung des Betriebsrats. Dieser ist durchaus nicht ein reiner „Vertrauensrat“, abhängig von der Gnade der Geschäftsführung. Er arbeitet auf der Basis des Betriebsverfassungsgesetzes, das aber nicht so ganz eng ausgelegt wird, etwa bei der Häufigkeit von Betriebsversammlungen. „Aber wir informieren jedes Vierteljahr“, sagt Ziegler. Und: „Wir wollen auch nicht, dass der Arbeitgeberverband in das Unternehmen (1,7 Milliarden Umsatz, 3800 Beschäftigte in Deutschland, 9100 weltweit) hineinregiert.“ Die Unternehmensspitze selbst ergreift in dem Konflikt nicht groß Partei, erklärt aber eines: „Die Geschäftsführung steht hinter ihrem Betriebsrat.“