Seit 20 Jahren fahren Wolfgang Thie und seine Mannschaft die Schiffe der Neckar-Käpt’n-Flotte. Doch das Geschäft mit der Freizeitschifffahrt wird immer beschwerlicher. Thie hofft nun auf die Politik.

Stuttgart - Leinen los und rein ins Jubiläumsjahr. Die Passagierschiffsflotte des Neckar-Käpt’n eröffnet am Karfreitag die Saison. Im 20. Jahr schippern Wolfgang Thie und seine Mannschaft auf dem Neckar. Zum Geburtstag lässt der gebürtige Hamburger auch was springen, spendiert jeder 20er-Gruppe zwei Flaschen Sekt oder gewährt 20 Prozent Sonderrabatt für Gruppen, die am 20. eines Monats an einer Linienfahrt teilnehmen. Kultur an Bord will er mit einem kleinen Unterhaltungsprogramm wieder aufleben lassen.

 

Feierstimmung kommt bei Thie trotzdem nur schwerlich auf. Dafür waren die Beeinträchtigungen der letzten Jahre zu groß. 2013 ging wegen Hochwassers und defekter Schleusen in fünf Wochen der Hauptsaison fast gar nichts, 2014 verhagelte ein kühler, verregneter Sommer die Bilanz, ab 2015 kam die Großbaustelle am Rosensteintunnel dazu. „Seither leidet die Aufenthaltsqualität an der Uferpromenade doch sehr. Die Laufkundschaft fällt quasi weg“, klagt Flottenchef Thie beim Blick auf sperrige Baucontainer rund um seine Anlegestellen am Neckarknie gegenüber der Wilhelma. In der Folge habe er bis zu 20 Prozent weniger Passagiere und zwischen 60 000 bis 80 000 Euro, die pro Saison in der Kasse fehlten.

Thie musste deshalb drei Leute entlassen und eines seiner drei Linienschiffe verkaufen. Die „Stuttgart“ schippert jetzt in Belgien. Rund 80 000 Beförderungen, wie es schifffahrtsamtlich heißt, sind es jetzt noch pro Saison, die sich hauptsächlich auf fünf Monate von Mai bis September erstreckt. Vor 20 Jahren, als Thie zusammen mit Ehefrau Susanne den Betrieb der Neckar-Personen-Schifffahrt von der Berta Epple GmbH übernommen hatte, waren es noch um die 120 000. Das Interesse an den allgemeinen Linienfahrten sei zurückgegangen, stellt Thie nüchtern fest. Weit mehr gefragt sind Themen- und Eventfahrten oder privat gebuchte Gruppenausflüge. „Man muss mit der Zeit gehen“, sagt der Kapitän und hat schon vor acht Jahren mit einem Partyfloß und Veranstaltungen wie „Beats & Burger“ oder der kulinarischen Weinprobe auf die Trends reagiert. So lockt er auch jetzt wieder jüngere Gäste an Bord.

Thie verfolgt die kommunalpolitischen Diskussionen über die „Stadt am Fluss“ mit Sorge

„Ich habe auch nach 20 Jahren noch Ideen und die gleiche Lust wie zu Beginn“, sagt der Hanseat Thie. Er fühle sich längst „richtig angekommen“ im Schwabenland. Allerdings verfolge er die kommunalpolitischen Diskussionen unter dem Stichwort „Stadt am Fluss“ mit Sorge. „Ich mische mich da auch selber ein, besuche Gremien und bin mit den Parteien im Gespräch“, so Thie. Vielen scheint er klarmachen zu müssen, welch Segen der Neckar als schiffbarer Fluss für Stuttgart ist, beklagt er: „Solch ein Wasserangebot ist ein Pfund für eine Stadt. Da sehnen sich andere danach.“ Die Wertschätzung des Neckars als Ausflugsziel falle ihm deutlich zu gering aus. „Stuttgart muss aufwachen. Ohne bauliche Maßnahmen, vor allem Sitzflächen am Ufer, gibt es kein Mehr an Besuchern“, fordert er die Verwaltung zum Handeln auf und will sich direkt an den Oberbürgermeister wenden.

Für mindestens vier weitere Jahre rechnet der Flottenchef durch den Rosensteintunnel und den Neubau der Eisenbahnbrücke mit Baustellenbehinderungen. Das erschwert ihm auch die geplante Anschaffung eines neuen großen Schiffes, das beispielsweise Feierlichkeiten mit bis zu 400 Personen ermöglicht. Soll er ganz auf die Eventkarte setzen? Ist es der richtige Zeitpunkt, wieder größer zu werden? Wolfgang Thie will diese Fragen sorgsam abwägen. Die Entscheidung, ob die Investition von 3,5 Millionen Euro finanzier- und tragbar ist, soll nach dieser Jubiläumssaison fallen.