Anton Lesnicar ist zum zweiten Mal Kalifornier auf Zeit. Der promovierte Elektroingenieur ist Expatriate von BMW in Oxnard nahe Los Angeles.

Kalifornien ist für Anton Lesnicar Lebensqualität, und womöglich wird er für immer dort bleiben. Vorausgesetzt, seine Frau stellt ebenfalls fest: Kalifornien ist meine Heimat geworden. Der Wind bläst kalte Luft vom Pazifik in die Berge über Santa Monica. Es ist frisch an diesem Frühlingsabend in Kalifornien. Die Menschen suchen Wärme unter den Heizstrahlern, die im Garten der Villa stehen. Vor ihnen, in Richtung Meer, thront der Star des Abends. Er kommt nicht aus dem nahen Hollywood im Rücken der Gäste. Sondern aus München. BMW präsentiert den i8, einen Sportwagen mit Elektro- und Verbrennungsmotor, extrem niedrigem Energieverbrauch und Fahrgastzelle aus Carbon.

 

Die Fachwelt ist sich einig: es ist das revolutionärste Auto, das BMW je gebaut hat. Dr. Anton Lesnicar (43) war von Anfang an beteiligt. Stolz steht er aufrecht neben dem Auto. Dass BMW das Fahrzeug in Kalifornien vorstellte, hat zwei gute Gründe: der amerikanische Sonnenstaat ist der weltweit bedeutendste Markt für Elektrofahrzeuge und Hybride, und die Menschen dort sind offen für neue Technologien. Das entspricht ihrer Mentalität. 'So wie Kalifornien und ich ticken, passen wir bestens zusammen', sagt Lesnicar. Er schätzt Toleranz, Offenheit und positive Lebenseinstellung der Menschen. 'In Kalifornien zu leben, ist für mich Lebensqualität.' Lesnicar ist schon zum zweiten Mal für einige Jahre in Kalifornien als Expatriate für seinen Arbeitgeber. Seine Reiselust scheint erblich bedingt. Lesnicars Eltern stammen aus dem früheren Jugoslawien. Kurz bevor er auf die Welt kam, sind sie nach München gezogen.

"Uns blieben nur zwei Tage für eine Entscheidung"

Anton ging auf die Realschule, machte eine Lehre als Energieanlagenelektroniker, holte über den zweien Bildungsweg das Abitur nach und studierte an der Technischen Universität München Elektrotechnik. 2006 fing er bei BMW als Entwicklungsingenieur in der Vorausentwicklung elektrische Antriebe an und promovierte parallel zum Job an der Universität der Bundeswehr in München in Elektrotechnik. Bei BMW entwickelte er mit an Hybrid-Prototypen und wurde Fachmann für Elektroantriebe in Autos. 'Mit meinen speziellen Kenntnissen gab es nur ganz wenige im Unternehmen.' Ende 2008 wurde ihm die technische Leitung vom Mini-E in den USA angeboten - zu einem familiär äußerst ungünstigen Zeitpunkt: die Lesnicars hatten inzwischen einen Sohn und gerade ein Haus gekauft. Kurz nach dem Einzug sagte er seiner Frau beim Frühstück am Wochenende auf der Terrasse, dass ihm die Stelle angeboten wurde und er schon am Montag zu- oder absagen müsste. 'Uns blieben nur zwei Tage für eine Entscheidung, die unser Leben komplett veränderte.' Seine Frau nahm nicht ernst, was er sagte, und ignorierte das Thema zunächst völlig.

Sie selbst hatte eine Stelle im Produktmanagement bei BMW und eine enge Bindung zu Eltern und Geschwistern. Schließlich willigte sie doch ein, 'weil sie wusste, wie wichtig mir die Aufgabe war'. Am 3. Januar 2009 hat Lesnicar im Engineering and Emission Test Center in Oxnard als Chief Engineer angefangen. Oxnard hat rund 200 000 Einwohner und liegt etwa 50 Meilen nördlich von Los Angeles, direkt am Pazifik. 70 Mitarbeiter hat BMW dort, sie erproben Fahrzeuge für den US-Markt und sichern sie ab. Unterschiede zu Deutschland gibt es beispielsweise in Stromspannung und -frequenz. Für ein Jahr war der Aufenthalt geplant, am Ende waren es dreieinhalb. Das Haus in München stand leer, die Raten mussten dennoch bezahlt werden. Außerdem die Miete für das Haus in Oxnard und das Gehalt der Frau fiel weg. Sein Gehalt in den USA war zwar höher als in Deutschland, 'doch es war manchmal eine finanziell schwierige Zeit für uns'. Und Lesnicar hatte manchmal Angst, dass seine Frau zurückgehen möchte. Gemeinsam haben sie vor ihrem Umzug an einem interkulturellen Training von BMW teilgenommen.

Lesnicar ging es um Lebensqualität

Da hieß es: nach fünf Monaten kommt ein Tief, und man bekommt Heimweh. 'Das traf bei meiner Frau auf die Woche genau ein.' Sie sind dann gleich dem Rat gefolgt und haben Urlaub in Deutschland gemacht. Anschließend war die Gemütslage deutlich besser. Während der Zeit in Kalifornien kam eine Tochter auf die Welt. Zu viert ging es im Juni 2012 zurück nach München. 'Meine Frau war überzeugt, dass damit meine Sehnsucht nach Kalifor nien gestillt war. Ich hoffte im Geheimen, dass wir bald wieder dort sein werden.' Die Familie zog in ihr Haus ein, und Lesnicar entwickelte weiter an Elektrofahrzeugen, unter anderem am i8. Für den ist der kalifornische der wichtigste Absatzmarkt. So war es nur eine Frage der Zeit, dass er wieder gefragt wurde: 'Wollen Sie Ihre Erfahrung mit dem Auto in den USA einbringen?' Die Lesnicars waren damals knapp ein Jahr in Deutschland - und er überrascht, als seine Frau spontan dem zweiten Umzug nach Kalifornien zustimmte. In der Zentrale in München hätte Lesnicar wohl größere Karrierechancen gehabt als in dem kleinen Werk in den USA. Aber ihm ging es um Lebensqualität.

Bereits im August 2013 zog seine Frau mit beiden Kinder in einem Mietshaus in Oxnard ein, weil der Sohn eingeschult wurde. Als pflichtbewusste Eltern stellten sie fest, 'dass man sich in Amerika nicht für eine Wohngegend entscheidet, die einem am besten gefällt, sondern in der es eine gute Schule gibt'. Lesnicar zog zwei Monate später nach, das Haus in München haben sie vermietet. Sie ist Hausfrau, der Sohn (6) geht in die Primary School, das ist eine Art Vorschule, in der Lesen und Rechnen gelernt wird. Die Tochter (3) geht in einen Kindergarten und der Vater früher aus dem Haus als in Deutschland: In Amerika ist man um 7 Uhr im Büro und arbeitet bis 17 oder 18 Uhr. Mindestens drei Jahre wollen sie diesmal bleiben, mit der Option, um zwei Jahre zu verlängern.