Verletzte Polizisten, brennende Streifenwagen und geplünderte Geschäfte: in der US-Großstadt Baltimore ist es am Montag nach der Trauerfeier für einen jungen Schwarzen zu schweren Unruhen gekommen. Schafft es die Nationalgarde, die Lage zu befrieden?

Baltimore - Die zunächst friedlichen Proteste wegen des Todes eines jungen Schwarzen in Polizeigewahrsam sind in der US-Metropole Baltimore in offene Gewalt umgeschlagen. Gebäude gingen in der Nacht zum Dienstag in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert, Polizisten mit Steinen angegriffen. Als Reaktion verhängte über die Stadt an der US-Ostküste eine nächtliche Ausgangssperre, der zuständige Gouverneur rief die Nationalgarde zu Hilfe.

 

Die Polizei sprach von den schwersten Unruhen in der Metropole seit Jahrzehnten. Augenzeugen meinten, Teile der Stadt seien in eine „Kriegszone“ verwandelt. dpa-Reporter berichteten von vermummten Jugendlichen auf den Straßen, Rauch ziehe durch Straßenzüge, Hubschrauber kreisten am nächtlichen Himmel.

Nur Stunden zuvor war der 25-jährige Afroamerikaner Freddie Grays (25) zu Grabe getragen worden. Viele Afroamerikaner sehen Gray als das jüngste Opfer in einer Serie von Fällen tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze. Der 25-Jährige war am 19. April – eine Woche nach seiner Festnahme – an schweren Rückenmarksverletzungen gestorben. Die genauen Umstände sind noch unklar. Auf Videos ist aber zu sehen, wie Polizisten Gray zu Boden drücken, bevor sie den vor Schmerz schreienden jungen Mann zu einem Polizeibus schleifen. Kurz darauf fiel er im Krankenhaus ins Koma.

Rund 3000 Menschen erschienen am Montag zu der Trauerfeier in einer Kirche in Baltimore. „Wir sind hier wegen Freddie Gray, aber wir sind auch hier, weil es viele Freddie Grays gibt“, sagte der Anwalt der Familie, William Murphy, bei der Zeremonie. Murphy prangerte eine „Aushöhlung der Justiz“ an und forderte eine Polizeireform. Der afroamerikanische Bürgerrechtsaktivist Jesse Jackson beklagte auf einer Pressekonferenz vor der Trauerfeier eine „Epidemie der Morde“ in den USA. „Wir sind zu gewalttätig geworden, zu hasserfüllt.“

Erinnerungen zu Ferguson werden wach

„Die Nationalgarde ist das letzte Mittel, um die Ordnung wiederherzustellen“, sagte der Gouverneur von Maryland, Larry Hogan am Montagabend (Ortszeit). Es handele sich nicht um Proteste und Demonstrationen, „das sind Gangs und Diebe, die durch die Straßen ziehen“. Das könne nicht toleriert werden.

Offenbar wurde die Polizei von der Welle der Gewalt völlig überrascht. dpa-Reporter berichteten in der Nacht von einem Großfeuer im Osten der Stadt. Anwohner meinten allerdings, es sei nicht klar, ob der Brand mit den Unruhen zusammenhänge. Nach Angaben lokaler Medien handelt es sich dabei um ein noch nicht fertiggestelltes kirchliches Altenzentrum. Bereits kurz zuvor ging ein großer Drugstore in der Innenstadt in Flammen auf.

Die Ereignisse wecken Erinnerungen an die schweren Unruhen im vergangenen Sommer in Ferguson in Missouri. Damals hatte ein weißer Polizist den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown erschossen – die Tat wurde zum Fanal. Immer wieder erschüttern seitdem Berichte über Polizeibrutalität gegen Schwarze das Land.

Gouverneur ruft Notstand aus

Der TV-Sender CNN zeigte Bilder von Plünderern, die in Baltimore mit vollgepackten Plastiktüten aus Geschäften stürmten. Autos wurden in Brand gesetzt. TV-Kommentatoren meinten, offensichtlich sei die Polizei überfordert gewesen. Die Unruhen brachen den Angaben zufolge an mehreren Orten der Stadt aus.

Tausende Polizisten waren im Einsatz, 15 wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei gab es mehr als zwei Dutzend Festnahmen. Der Tod Grays hatte vergangene Woche zunächst eine Serie friedlicher Demonstrationen ausgelöst, erst am Wochenende war die Lage erstmals eskaliert.

Die Ausgangsperre solle ab Dienstag für eine Woche von 22.00 Uhr abends bis 05.00 Uhr morgens gelten, erklärte Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake. Um die Gewalt in den Griff zu bekommen, rief Gouverneur Larry Hogan am Montagabend (Ortszeit) auch den Notstand aus. Bis zu 5000 Nationalgardisten sollten möglichst rasch einschreiten.

Bereits am Wochenende waren zunächst friedliche Proteste in Baltimore in Gewalt umgeschlagen. Demonstranten warfen Steine auf Polizeiwagen und Geschäfte. Nach Behördenangaben gab es mehr als 30 Festnahmen, sechs Polizeibeamte seien verletzt worden. Sowohl die Behörden in Baltimore als auch das US-Justizministerium haben Ermittlungen zu Grays Tod eingeleitet. Sechs Beamte wurden für die Zeit der Untersuchung vom Dienst suspendiert.