Morgan-Stanley-Chef Dirk Notheis hat dem Ausschuss zum EnBW-Deal einen langen Brief geschrieben. Darin korrigiert, interpretiert und ergänzt er seine Aussage.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis, hat bereits im Sommer 2010 mit dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (beide CDU) über die Zukunft der EnBW gesprochen. Dies berichtet Notheis jetzt in einem sechsseitigen Schreiben an den Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal, in dem er seine Aussagen vor dem Gremium nachträglich korrigiert, interpretiert oder ergänzt. Dort hatte er auf die Frage nach seiner ersten Befassung mit dem Thema gesagt, Morgan Stanley sei am 25. November 2010 beauftragt worden sei. Die Grünen rügten, Notheis wolle seine Aussage „zurechtdrehen“.

 

Laut Notheis’ Brief bat ihn Mappus etwa ein halbes Jahr vor dem Aktienrückkauf um seine Einschätzung zu einem Szenario, bei dem die Electricité de France (EdF) die Mehrheit an dem Karlsruher Energiekonzern übernehmen würde. Zugleich habe er ihn gefragt, ob die EdF ihren Anteil verkaufen würde und welche Handlungsmöglichkeiten das Land habe. Hintergrund sei ein Gespräch zwischen Mappus und dem EdF-Chef Henri Proglio gewesen. „Ich habe Stefan Mappus damals gesagt, dass meiner Meinung nach EdF wohl nicht verkaufen würde“, schreibt Notheis.

Er wolle das Thema bei Gelegenheit jedoch gerne mit dem französischen Morgan-Stanley-Chef René Proglio besprechen, dem Zwillingsbruder des EdF-Chefs. Dies sei am Rande einer Weltbanktagung in Washington geschehen. Später habe ihm René Proglio berichtet, er habe mit seinem Bruder Henri über die EnBW-Beteiligung gesprochen; über das Ergebnis dieses Gesprächs schreibt Notheis nichts.

Zentrale Rolle für Zwillingsbruder des EdF-Chefs

Bereits nach einem Gespräch mit Mappus und den beiden Proglio-Brüdern am 10. November in Paris wurde der Investmentbanker tätig. Dies habe die Sichtung von Unterlagen ergeben, die die Bank dem Untersuchungsausschuss nachträglich zur Verfügung stellte. Danach, so Notheis, habe er „einige Vorüberlegungen zu einer möglichen Strukturierung des . . . .Erwerbs der EnBW-Aktie sowie zu Bewertungsfragen angestellt“. Am 26. November kam es dann zu einer Telefonkonferenz, in der Proglio 39,90 Euro je Aktie forderte und Mappus 40 Euro anbot. Grundlage war offenbar eine Aussage des EdF-Chefs, er werde auf keinen Fall unter dem Buchwert verkaufen.

Im Ausschuss war offen geblieben, wie dieser Buchwert in die Verhandlungen eingeführt wurde. Dazu berichtet Notheis nun, Henri Proglio habe den Betrag bei dem Gespräch in Paris nicht genau präsent gehabt und auf 37 Euro geschätzt. Später habe sich herausgestellt, dass er sich nach der testierten EdF-Bilanz auf 39,90 Euro je Aktie belief. Dies sei dem französischen Morgan-Stanley-Chef René Proglio wenige Tage vor der Telefonkonferenz in einer Mail mitgeteilt worden, die jetzt ebenfalls dem Ausschuss zuging. René Proglio spielte bei dem Deal danach offenbar eine größere Rolle, als bisher sichtbar wurde.

Mappus doch für Telefonkonferenz vorbereitet

Zudem korrigiert Notheis seine Auskunft, er habe Mappus zur Vorbereitung der Telefonkonferenz „keine Unterlagen“ übermittelt. Bei dieser Antwort sei er davon ausgegangen, dass nach Präsentationen oder vergleichbaren Ausarbeitungen gefragt worden sei. Tatsächlich habe er „bei nochmaliger Überprüfung“ festgestellt, dass er dem damaligen Ministerpräsidenten „eine E-Mail mit einem Skript zur Vorbereitung auf die Telefonkonferenz übersandt habe“. Darin sei der Buchwert der EnBW-Aktie mit 39,90 Euro angegeben gewesen. Auch diese Mail wurde dem Ausschuss nun zur Verfügung gestellt.

Die Grünen im Landtag warfen Notheis vor, er versuche, „seine Zeugenaussage zurechtzudrehen“; dies sei ein einmaliger Vorgang. Nachdem der Investmentbanker sich zunächst in Widersprüche verwickelt und viele Fragen offen gelassen habe, trete er nun „die Flucht nach vorne an“, sagte der Obmann der Fraktion, Ulrich Sckerl. „Wir müssen davon ausgehen, dass er vor dem Ausschuss die Unwahrheit gesagt hat.“

Sckerl bezweifelte, dass die nachträgliche Aussage überhaupt verwertbar sei. Als besonders bemerkenswert hob er hervor, dass René Proglio „plötzlich eine Schlüsselrolle“ bei dem Deal gespielt haben soll. Der Bruder des EdF-Chefs hatte sich kürzlich geweigert, vor dem Ausschuss zu erscheinen. „Ich hoffe sehr, dass das kein abgesprochenes Vorgehen ist“, sagte der Grüne.

Der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) hatte nach einer Durchsicht der von Morgan Stanley nachgereichten internen Mails angeregt, Notheis, Mappus und den Rechtsanwalt Martin Schockenhoff noch einmal als Zeugen zu hören.