Exklusiv Parlamentspräsident Guido Wolf entzieht seinem Verwaltungschef Hubert Wicker die Zuständigkeit für den neuen Ausschuss zum Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten. Grund sind ungeklärte Fragen zu dessen Rolle als früherer Chef der Staatskanzlei unter Stefan Mappus.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Landtagsdirektor Hubert Wicker (CDU) ist nicht mehr mit dem neuen Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten befasst. Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) hat ihm die Zuständigkeit dafür entzogen, wie ein Parlamentssprecher der Stuttgarter Zeitung sagte. Alle Schreiben und Vorgänge zu dem Ausschuss seien statt an den Verwaltungschef unmittelbar an einen der beiden Abteilungsleiter zu leiten. Eine entsprechende Dienstanweisung habe der andere Abteilungsleiter auf Veranlassung des Präsidenten bereits vor Weihnachten herausgegeben. Zudem werde Wolf die Ministerien bitten, den Akten- und Schriftverkehr direkt mit dem Ausschussvorsitzenden, dem Grünen-Abgeordneten Jürgen Filius, abzuwickeln; dies sei bisher schon üblich gewesen.

 

Damit reagierte Wolf auf die Rolle seines engen Vertrauten beim ersten Sondergremium zum „schwarzen Donnerstag“ im Jahr 2010/11. Damals war Wicker (65) unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) Chef der Staatskanzlei im Range eines Staatssekretärs. Ein entscheidender Anlass für den neuen Ausschuss ist der Verdacht, dass dem ersten Gremium von der Regierung Mappus – insbesondere vom Staatsministerium – Dokumente vorenthalten worden sind. Hinweise darauf ergeben sich aus den vermeintlich gelöschten Mails von Mappus und mehreren Mitarbeitern, über die die StZ und der „Spiegel“ voriges Jahr berichtet hatten.

Auch eine an Wicker gerichtete Mail des damals zuständigen Abteilungsleiters Michael Kleiner war dem Ausschuss offenkundig nicht zugeleitet worden. Darin hatte Kleiner einen – von Mappus stets bestrittenen – Zusammenhang zwischen dem Termin des Polizeieinsatzes und seiner Regierungserklärung wenige Tage später im Landtag hergestellt: Mappus müsse in der Rede darauf verweisen können, dass in den nächsten Monaten keine weiteren Baumfällungen nötig würden. Dies war eines der Ergebnisse einer Besprechung am Vortag im Umweltministerium von Tanja Gönner (CDU). Ähnlich hatte sich Gönner in einer Mail direkt an Mappus geäußert, die dem Ausschuss ebenfalls nicht vorgelegt wurde. Auf eine StZ-Anfrage zu dem Vorgang reagierte die Ex-Ministerin nicht.

Wicker könnte als Zeuge vor den Ausschuss geladen werden

Wicker hat bisher nicht erklären können, warum die an ihn gerichtete Mail nicht an den Landtag übermittelt wurde. Nach seiner Kenntnis seien die Akten für den U-Ausschuss vollständig gewesen. Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen mit Blick auf den Landtagsdirektor hatte Wolf geantwortet: „Eine Prüfung und Bewertung ist erst möglich, wenn der Sachverhalt bekannt ist.“ Es gilt als sicher, dass Wicker als Zeuge vor den neuen Ausschuss geladen wird.

Am 20. Dezember hatte die StZ den Landtag mit der Einschätzung unabhängiger Juristen konfrontiert, Wicker könne angesichts seiner möglichen Verwicklung in den Vorgang nicht mit dem neuen Ausschuss befasst sein. Es sei schon der böse Anschein zu vermeiden, dass er angesichts seiner Befangenheit interessegeleitet agiere. Am gleichen Tag wurde Wicker laut dem Parlamentssprecher die Zuständigkeit entzogen – ob vor oder nach der StZ-Anfrage, wurde nicht mitgeteilt. Bei der Vorbereitung des Ausschusses, der sich vor Weihnachten formierte und seine Arbeit aufnahm, war Wicker zunächst bereits tätig geworden. Er sei „mit den getroffenen Maßnahmen einverstanden“, hieß es nun aus dem Landtag. „Damit ist sichergestellt, dass Herr Wicker in keiner Weise mit den Arbeiten des Untersuchungsausschusses befasst ist.“

Fragen nach der Rolle des damaligen Chefs der Staatskanzlei wirft auch ein Vermerk auf, der den Eindruck nahelegt, die Akten für den Ausschuss seien im Staatsministerium „frisiert“ worden. Der als Regierungsbeauftragte zuständige Referatsleiter Michael Pope hatte darin beim Büro Mappus um Geduld gebeten: Man brauche noch Zeit, um die Unterlagen so herzurichten, dass keine Widersprüche aufträten; es sollten nicht zur Unzeit neue Dokumente publik werden. Nach StZ-Informationen ging dieser Vermerk per Mail an einige weitere Regierungsbeamte, darunter auch den Büroleiter von Wicker; dieser ist heute noch in der gleichen Funktion beim neuen Chef der Staatskanzlei, Klaus Peter Murawski (Grüne), tätig.

Bei der Abstimmung über den neuen Ausschuss hatte sich Landtagspräsident Wolf, wie die gesamte CDU-Fraktion, der Stimme enthalten. Dies bestätigte der Parlamentssprecher. In den anderen Fraktionen wurde dies teilweise mit Verwunderung und Unverständnis registriert: Es sei schwer nachvollziehbar, dass der höchste Repräsentant des Landtags den Versuch, ein Aushebeln des Parlaments aufzuklären, nicht aktiv unterstütze, sondern lediglich hinnehme. Alle anderen Fraktionen, auch die oppositionelle FDP, hatten dem Gremium zugestimmt.