„Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“, hatte die Kanzlerin 2013 gesagt. Dann wurde klar: Es geht doch. Kontrolleure im Bundestag bauen auf neue Regeln. Der Opposition geht das nicht weit genug. Der BND hatte vor allem diplomatische Vertretungen intensiv ins Visier genommen.

Berlin - In der Affäre um Spionage unter Freunden hat der BND vor allem diplomatische Vertretungen intensiv ins Visier genommen, aber auch vor Staats- und Regierungschefs nicht Halt gemacht. Der Bundesnachrichtendienst habe „eine niedrige zweistellige Zahl von Teilnehmern“ abgehört, die Regierungen von EU- oder Nato-Ländern zuzuordnen seien, heißt es in einer vorliegenden Bewertung des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr).

 

Von rund 3300 umstrittenen BND-Zielen in der EU und in Nato-Staaten, die mit insgesamt 15 000 Suchmerkmalen ausspioniert wurden, betreffen demnach mindestens 2200 diplomatische Vertretungen der Partnerländer in aller Welt. Suchmerkmale können IP-Adressen von Computern, Mail-Adressen oder Telefonnummern sein, die genutzt werden, um weltweite Datenströme zu durchkämmen.

Umfeld ausspioniert

Nach den Ermittlungen einer dreiköpfigen Task-Force aus den Abgeordneten Armin Schuster (CDU), Uli Grötsch (SPD) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) hat der BND Staats- oder Regierungschefs und Minister abgehört sowie deren Umfeld ausspioniert - also den Amtssitz, die Mitarbeiterstäbe oder Büros. Auch militärische Einrichtungen von befreundeten EU- und Natoländern wurden abgehört.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, Empfehlungen zur Reform des BND würden bereits umgesetzt. Den deutschen Auslandsgeheimdienst an die sich verändernden Bedingungen anzupassen, bleibe aber „ein Werk, das nie ganz fertig wird“.

Geheimdienstexperten von CDU, CSU und SPD betonten, die Arbeit des BND solle nicht beschnitten, sondern auf eine solidere rechtliche Grundlage gestellt und besser kontrolliert werden. „Wir setzen jetzt auf einen klaren gesetzlichen Rahmen, ohne den BND dadurch an die Leine zu legen“, sagte Grötsch.

PKGr-Chef Clemens Binninger (CDU) sagte, die Ermittlungen hätten eine schwammige Rechtsgrundlage, ein Eigenleben in den Außenstellen des BND sowie eine unzureichende Dienst- und Fachaufsicht deutlich gemacht. Die Arbeit des BND müsse strikt an die von der Regierung definierten Aufgabenfelder gekoppelt werden. Der CSU-Experte Stephan Mayer betonte, künftig werde gesetzlich ausgeschlossen, dass EU-Bürger, Regierungsmitglieder befreundeter Länder sowie EU-Institutionen grundsätzlich Gegenstand der BND-Aufklärung seien.

Reform des BND

Die Linken-Obfrau im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Martina Renner, sagte, die geplante BND-Reform solle legalisieren, was der Ausschuss zu Tage gefördert habe. „Und in fünf Jahren haben wir den nächsten Skandal.“

Dem Bericht zufolge hatte der BND auch eine mittlere zweistellige Zahl von Organisationen und Einrichtungen von Nicht-Regierungsorganisationen oder der Wirtschaft auf seiner Spionageliste. Als Beispiele werden die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Rüstung, Transport, Medien und Beratung genannt.

Bei den vom BND ausspionierten EU-Institutionen handele es sich zwar um eine überschaubare Anzahl von Zielen, schreibt das Gremium. Ein speziell dargestellter Fall wird aber als besonders gravierend und „selbst bei wohlwollender Betrachtung“ ungerechtfertigt beschrieben. Es gebe „keinerlei Hinweise, dass im BND zu irgendeinem Zeitpunkt der erhoffte Informationsgewinn gegen das politische Risiko der Maßnahme abgewogen wurde“. Und weiter: „Das schwerste Problem liegt aber darin, dass der BND hier zumindest einen deutschen Staatsbürger mit Wissen und Wollen gesteuert“, ihn also abgehört hat.

Vor Ausspähung geschützt

Deutsche Bürger sind per Gesetz auch im Ausland vor Ausspähung durch deutsche Geheimdienste geschützt.

Die Geheimdienstkontrolleure bescheinigen dem BND in ihrem Bericht in vielen Fällen, dass Aktionen „nicht auftragskonform und rechtlich unzulässig“ gewesen seien. Öfters wird den Auslandspionen ein unverhältnismäßiges und politisch unsensibles Vorgehen attestiert. Der Grünen-Abgeordnete Ströbele wirft dem BND in einem „Sondervotum“ Rechtsbruch und die Verletzung internationaler Vereinbarungen vor.