Krebspatienten stellen am Flughafen Stuttgart ihre Bilder aus und geben dadurch Einblick in ihren Umgang mit der Krankheit. Und noch ein weiterer Bestandteil macht die Ausstellung zu etwas Besonderem.

Echterdingen - Anton hatte gerade eine Studienfahrt hinter sich, da begann er stark zu schielen. Noch am Abend bekam der 17-Jährige im Krankenhaus die schreckliche Diagnose: ein Hirntumor. „650 Gramm schwer“, wie er sagt. Es folgten eine Operation und ein Aufenthalt auf der Katharinenhöhe in Schönwald, einer Klinik, die sich auf die Rehabilitation von krebskranken Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen spezialisiert hat. „Den Gedanken an die Krankheit, daran, in wenigen Wochen vielleicht nicht mehr im eigenen Bett zu liegen, den kann man nicht wegdrücken“, sagt Anton. Auch soziale Kontakte würden komplett wegfallen. „Obwohl man viel Unterstützung bekommt, ist man mit seiner Krankheit immer alleine“, so der Jugendliche.

 

Die Texte geben den Bildern tieferen Sinn

Man muss diese Schilderung im Kopf haben, um die Bilder von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verstehen, deren Leben nach der Krebs-Diagnose von einem Tag auf den anderen eine abrupte Wendung nahm. Die Bilder sind nun am Stuttgarter Flughafen zu sehen. Es ist keine Kunstausstellung im herkömmlichen Sinn, eher eine Ausstellung mit Bildern von Lebenskünstlern. Zusammen mit den Texten bildet jedes Gemälde eine Einheit, die berührt, die einen tiefen Einblick in die Lebenssituation der jungen Patienten gibt.

„Langsam kommen die Farben wieder zurück“,beschreibt ein 21-jähriger, an Leukämie Erkrankter sein farbenfrohes Bild. „Der Riss in meinem Leben“ steht neben der Arbeit einer jungen Frau, die nach einer Knochentumor-Operation eine Endoprothese bekommen hat. Zu sehen ist auf dem Bild ein Gesicht, das so zerrissen ist wie das Leben. Den Humor hat ein junger Mann nach einer Stammzelltransplantation scheinbar nicht verloren. Er beseitigt die eigenen Schmerzen in seinem Bild dadurch, dass er den Krebs wegkocht.

Es geht darum, zu experimentieren, frei zu sein

Und für die 20-jährige Christine, die die Diagnose Lymphdrüsenkrebs hat verkraften müssen, ist die Kunst „alles und nichts auf einmal, mein Hafen, meine Sonne, mein Stern, mein Friedvoll“. Diese Erfahrung bestätigt Melanie Reiner, die sich als Betreuerin und Kunsttherapeutin um die jugendlichen Patienten kümmert. „Das Malen trägt zur Entspannung bei, es ist eine Zeit, in der die Patienten zu sich kommen, sich beruhigen“, sagt sie. Es gehe dabei nicht um den Anspruch einer hohen künstlerischen Qualität, sondern darum, zu experimentieren, frei zu sein und die Hemmungen zu überwinden. „Die Bilder zeigen“, so die Therapeutin, „den Weg zurück ins Leben.“

„Wir stellen die Plattform Flughafen gerne für diese Ausstellung zur Verfügung“, sagte Airport-Geschäftsführer Walter Schoefer bei der Vernissage. „Die jungen Patienten geben ihrer Krankheit ein Gesicht“, ergänzte der Flughafenseelsorger Dieter Kleinmann die Ausstellung, und seine Kollegin Marjon Sprengel sprach von einer „Dokumentation des Ringens“. Martin Aichele, der als Arzt auf der Katharinenhöhe gearbeitet und die Ausstellung an den Flughafen geholt hatte, erwähnte die deutlich verbesserten Überlebenschancen von Krebspatienten und die Bedeutung der Kunsttherapie. „Die Bilder“, sagt Aichele, „zeigen etwas, das man mit Worten nicht ausdrücken kann, sie sprechen für sich.“

Die Ausstellung „Lebensbilder“ mit Arbeiten aus der Kunsttherapie der Rehabilitationsklinik Katharinenhöhe in Schönwald (Schwarzwald) ist am Stuttgarter Flughafen in Terminal 3, Ebene 2, am Zugang zur Kapelle zu sehen.