Dorothee Nestel stellt im Augustinum Killesberg aus: Bilder, in denen Geheimnisse verborgen sind.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - Jedes Bild birgt ein Geheimnis“, das sagt die Künstlerin Dorothee Nestel über ihre Werke. Welche Geheimnisse das sind oder wie sie in den Bildern verborgen sind, dazu gibt sie sich aber verschwiegen: „Jeder Betrachter muss selbst erfahren, was er in den Bildern sieht, welche Geheimnisse er entdeckt“, sagt Nestel. „Das ist für jeden etwas anderes – und das will ich auch so, deshalb verrate ich nichts.“

 

So geht es auf zur Geheimnissuche: „Luftballon“ heißt ein Bild, das einen gelben Luftballon inmitten eines verästelten Gestrüpps zeigt. Schaut man genauer hin, gibt es Formen und Dinge, die im Gestrüpp zu erkennen sind. Etwas offensichtlicher scheint das Bild „Noch nie da gewesen“, das die beiden Päpste Franziskus und Benedikt zeigt, die auf einer Erdkugel sitzen. Bei „Unfrei – Frei“ hat Dorothee Nestel zwei Greifvögel gemalt, einer von einer roten Fessel umschlungen, der andere nicht. Auf dem Bild „Das Ei“ ist ein Vogel mit einem Ei zu sehen – aber auch Strukturen im Hintergrund, eine Form, die ein erleuchtetes, oder vielleicht sogar brennendes Haus darstellen könnte. Im Gegensatz zu diesen Bildern stehen Darstellungen von Landschaftsszenen wie „Vollmond über dem See“ oder „Graubünden“.

Was ist real, was ist nicht real?

Auf diese Unterschiede macht auch der Titel von Nestels Ausstellung aufmerksam: „Reales – Nichtreales“ ist am Mittwoch im Augustinum am Killesberg eröffnet worden. 25 Bilder sind zu sehen, Malereien in Acryl, Öl und Aquarell. „Dorothee Nestel ist dem Gesehenen und dem Erlebten gegenüber aufgeschlossen“, sagte der Kunstprofessor Hans K. Schlegel zur Einführung. „Zunächst ist es die reale Wahrnehmung, welche sie in sich aufnimmt.“ Nestels Bildsprache stehe aber im Gegensatz zur fotografischen Erfassung. Bei „Rheinabfluss“ wies Schlegel besonders auf die blauen Farbtöne hin, die Berge und Wasser darstellen, die im Gegensatz zur „linear interpretierten Landzunge der Insel Reichenau“ stünden. Das Zusammenspiel dieser beiden Bildteile entspricht laut Schlegel „einer sinnlich-ästhetisch ausgewogenen Orientierung“.

Die Entwicklung Nestels hin zu einer expressiven Ausdrucksweise erklärte Schlegel an weiteren Beispielen: beim „Rotenberg-Triptychon“ stünde der artistische Eigenwert im Vordergrund: „Die Strukturen der Rebflächen werden zurückgefahren nach dem Gesichtspunkt, weniger naturhafte Detailtreue ist mehr, und steigert die expressiven Farben und Formen. Die Grabkapelle wird zum Mittelpunkt des Bildes“, sagte Schlegel. Ganz surreal wird es beim Bild „Fliegender Sessel“, auf dem ein weißer Sessel durch eine Landschaft fliegt oder schwebt. „Hier wird eine Idee umgesetzt, die die Naturgegebenheiten – die Berge, das Wasser – expressiv, beinahe magisch verfremdet.“

Aufgewachsen am Killesberg

Dorothee Nestel, Jahrgang 1943, ist am Killesberg aufgewachsen. Auch heute lebt und arbeitet sie in Stuttgart, aber die im Norden verbrachte Kindheit ist es, die diese Ausstellung im Augustinum zu etwas Besonderem für sie macht. „Das ist eine tolle Sache für mich“, sagte sie. Den Besuchern wünschte sie, „in einen Dialog mit den Bildern treten und die Geheimnisse entdecken zu können, die ich darin verborgen habe“. Nestel ist seit Ende der 1970er Jahre künstlerisch tätig, sie ist Autodidaktin und hat sich seit 1985 bei verschiedenen Lehrmeistern fortbilden lassen. Seit 1995 besucht sie das Seminar Bildtechnik, das von Hans K. Schlegel geleitet wird. Schlegels Unterrichtsstil lobte sie besonders: „Er bespricht die Bilder, die wir ihm vorlegen, auch mal kritisch, aber nie verletzend“, sagte Nestel.