Das Leben auf dem Weissenhof war nicht leicht. Die Rede ist nicht von dem Ort neben der Stuttgarter Kunstakademie, sondern von einem Bauernhof im Wallistal. Erstmals bespielt eine ganze Künstlergruppe die Vitrinen im Durchgangsbereich vom Hauptbahnhof zur Innenstadt.

Stuttgart - Das Leben auf dem Weissenhof war kein leichtes. Die Rede ist nicht von dem Ort neben der Stuttgarter Kunstakademie sondern von einem Bauernhof im Wallistal. Dort wuchsen die drei Brüder Bob, Carl und Keith in ärmlichen Verhältnissen auf – bis der Hof abbrannte und die drei in die Neue Welt auswanderten. So lautet die Legende, die sich die Künstlergruppe „Die Weissenhofer“ zurechtgelegt hat und seit dieser Woche in den Vitrinen der Klett-Passage zeigt.

 

Das Kunstprojekt in der Klett-Passage ist im Jahr 2007 auf Initiative der Mietervereinigung ins Leben gerufen worden. Seitdem stellen wechselnde Künstler in Vitrinen in der häufig nur im Vorbeieilen flüchtig wahrgenommenen Laden-Passage zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt aus. Das Ziel: eine bewusstere Wahrnehmung dieses Durchgangsbereichs, den täglich rund 150 000 Passanten nutzen. Waren die ersten zwölf Durchgänge des Kunstprojekts als Wettbewerb für Studierende angelegt, zeigt die Ausstellungsreihe Transition seit November 2013 im halbjährlichen Wechsel ausgewählte künstlerische Positionen von Alumni der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.

Bezüge zum Ort herstellen

Im 17. Zyklus ist erstmals eine ganze Künstlergruppe für das Bespielen der Vitrinen verantwortlich. Auch „Die Weissenhofer“ haben sich mit ihren Arbeiten auf den Ort mit all seinen Eigenheiten eingestellt. Die Geschichten in den Vitrinen am Mittelabgang und an beiden Seitenabgängen zu den Stadtbahnen auf der Königstraßen-Seite sind angelehnt an Walter Benjamins „Passagen-Werk“.

Die Legende der Weissenhofer, die eigentlich nicht Bob, Carl und Keith sondern Matthias Beckmann, Uwe Schäfer und Jörg Mandernach heißen, wird an den vier Orten durch Fotografien der drei vermeintlichen Brüder erzählt oder durch ausgestellte Fundstücke wie alte Holzteller. „Es geht um ankommen, bleiben, aufbrechen, reisen und flüchten“, sagt der Kurator der Ausstellung, Winfried Stürzl. In der Neuen Welt, so erfährt der Betrachter in der zweiten Vitrine, haben die Brüder die Weissenhof-Ranch errichtet, als Kunstmaler gearbeitet und den Rock’n’Roll erfunden.

Die aktuellste Geschichte erzählt die Vitrine mit der Aufschrift „Die Ruhe auf der Flucht“. Ein christliches Bild-Motiv angesichts der Flucht Marias nach Ägypten, aber auch ein aktuelles angesichts der derzeitigen Flüchtlingsthematik. „Wir stellen in unseren Werken Bezüge zur Kunstgeschichte und zu Aktuellem her – aber immer gebrochen, damit es nicht zu plakativ ist“, sagt der Künstler Matthias Beckmann. Ein halbes Jahr werden die Werke der drei in der Passage zu sehen sein.