Im Museum am Löwentor ist nun auch das Erdaltertum zu sehen. Zu den Exponaten zählen zum Beispiel Riesenlibellen und Riesentausendfüßler.

Stuttgart - Das Stuttgarter Naturkundemuseum am Löwentor ist berühmt für seine Saurierausstellung. Und dort wird auch vieles von dem gezeigt, was in den fossilen Lagerstätten Südwestdeutschlands ans Tageslicht kam – Fundorte, die bei den Archäologen Weltruf genießen. Doch hierzulande existieren so gut wie keine Funde aus noch früheren Zeitaltern der Erde. Obwohl die „fossile Zeituhr“ im Land also kaum mehr als 250 Millionen Jahre zurückreicht, will das Museum dennoch seinen Bildungsauftrag erfüllen und die gesamte Erdgeschichte abbilden. Seit 2010 haben daher Paläontologen, Grafiker und Präparatoren an der Erweiterung der Dauerausstellung geplant und gebaut.

 

Wissenschaftlich geleitet wurde das Projekt von Günter Bechly, dem Kurator für Bernstein und fossile Insekten. Für die Gestaltung war Julia Bergener verantwortlich. Von Dienstag an werden nun die Besucher vom Erdaltertum, dem Paläozoikum, „begrüßt“, wenn sie im Löwentormuseum die Erdgeschichte erkunden wollen. „Bizarre Welten – die Zeit vor den Sauriern“ hat das Museum diesen Teil der Dauerstellung genannt. Gekostet hat er rund 300 000 Euro.

Sechs „Minimonster“ sind in Originalgröße zu sehen

Auf dem 125 Quadratmeter großen Gelände kann man nun die Evolution im Zeitraffer erleben: von der Entwicklung der ersten Individuen mit vielen Zellen über den Landgang von Pflanzen und Tieren bis hin zu Rieseninsekten. Spannend ist dabei zu Beginn die sogenannte kambrische Explosion, als ein Vielzahl frei beweglicher Tiere entstand. Diese kleinen Lebewesen besiedelten die Meere und sahen zum Teil reichlich bizarr aus. Sechs solcher „Minimonster“ sind in der Ausstellung zu sehen, und zwar nicht modellhaft vergrößert, sondern akribisch in Originalgröße nachgebildet. Damit der Besucher dennoch den diffizilen Bau dieser Organismen bewundern kann, lassen sie sich von oben und per Spiegel auch von unten durch eine verschiebbare Lupe betrachten.

Überhaupt war es den Ausstellungsmachern sehr wichtig, sämtliche Exponate originalgetreu und gemäß den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu präsentieren. „Dazu inszenieren wir in Dioramen ganze Lebensräume, die wir aber nicht nach künstlerischen Gesichtspunkten gestalten, sondern wissenschaftlich fundiert rekonstruieren“, erläutert Johanna Eder, die Chefin des Museums, das Konzept.

Riesenlibellen mit einer Spannweite von 65 Zentimetern

So kann sich der Besucher beispielsweise ein gutes Bild davon machen, wie es im Zeitalter Karbon auf unserer Erde ausgesehen hat. Damals, also vor 359 bis 299 Millionen Jahren, herrschte ein tropisches Klima auf der Erde, das üppige Regenwälder gedeihen ließ – die dann bekanntlich zu Steinkohle geworden sind, die diesem Erdzeitalter den Namen gab.

Aus den Steinkohlelagern sind viele Fossilien bekannt, weshalb die Tierwelt des Karbonwalds auch recht bekannt ist. Dabei führte der damals herrschende hohe Sauerstoffgehalt dazu, dass riesige Insekten entstanden. So sind in der Ausstellung Riesenlibellen zu sehen – ein in Frankreich gefundenes Exemplar hatte eine Spannweite von sagenhaften 65 Zentimetern. Nicht weniger beeindruckend ist der benachbarte Riesentausendfüßer, der aus einem saarländischen Steinkohlebergwerk stammt. Kleines Detail: für die lebensechte Rekonstruktion des Tieres mussten die Beine mit etwa 2000 Dornen bestückt werden. Ein Verwandter dieser Art wurde übrigens bis zu 2,6 Meter lang und dürfte rund zwölf Kilo gewogen haben.

Am Ende des Rundgangs steht eine Multimedia-Station

Den Abschluss des Rundgangs durch die 400 Millionen Jahre Erdgeschichte bietet eine Multimedia-Station. Hier kann man sich mit dem Finger nach Herzenslust durch die vier Bereiche Lebensraum, Geografie, Fossilfunde und Wissenschaft tippen. Ansonsten muss man sich der ausgelegten Informationsblätter bedienen, wenn man nähere Informationen über die Exponate haben will – schließlich sollen die Präsentationen der lebensecht gestalteten Fossilien und Dioramen durch möglichst wenig Text beeinträchtigt werden.