Am Anfang war Gudrun Feigenbutz nervös. Noch nie hatte sie Modell gestanden, und nun war da diese fremde Künstlerin, die ihr sagte, sie solle ganz ungezwungen sie selbst sein. Feigenbutz machte das halt. Was dabei für Bilder entstanden, zeigt eine Ausstellung im Frauencafé Sarah.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Am Anfang war Gudrun Feigenbutz nervös. Noch nie in ihrem Leben hatte sie Modell gestanden, und nun war da diese fremde Künstlerin, die ihr sagte, sie solle einfach bloß sie selbst sein, ganz ungezwungen. Aber wie ist man sich selbst? Wie genau steht man selbst? Wo hält man die Arme, wenn man ganz sich selber ist, und wohin mit den Händen? Im normalen Leben sind diese Dinge ja keinen Gedanken wert. So fing die Modellsitzung an. Und während Feigenbutz nur so halb gemütlich auf einem Barhocker saß, als sei sie auf dem Sprung und sich mit unruhigen Fingern eine Zigarette drehte, da ließ Daniela Waitzmann schon den Stift übers Papier fliegen und fertigte die ersten Skizzen ihres Modells. In Sekunden entstand das Porträt eines Menschen, der Mühe hat, seinem Fluchtinstinkt zu widerstehen. Gudrun Feigenbutz ist danach erst mal rausgegangen, rauchen. Sie wurde dann ruhiger. Den Rest der Sitzung hat sie liegend auf der Couch verbracht, nebenher gequatscht, irgendwann gar nicht mehr daran gedacht, dass Waitzmann sie malt.

 

Das Modell vergisst die Malerin

Die Künstlerin brauchte nun nicht mehr das schnelle Medium der Zeichnung, sondern konnte sich die Zeit nehmen, Gudrun Feigenbutz zu aquarellieren und ihre Gestalt farblich auszuformulieren. Ihr Bild zeigt den lang gestreckten Körper liegend, Arme und Kopf in einer runden, in sich geschlossenen Haltung. „Ich habe ihr so eine Gelassenheit abgespürt. Sie hat so in sich geruht“, erinnert sich Waitzmann.

Die Künstlerin hat den Modellen nicht gesagt, wie sie sich positionieren sollen. Sie hat sie einfach machen lassen. Manche gingen davon aus, dass Modellstehen immer gleich Aktzeichnung bedeutet und haben wie selbstverständlich sofort ihre Kleidung abgelegt, berichtet Waitzmann. Überhaupt Frauen zu finden, die sich porträtieren lassen, war nicht einfach. Aber die Künstlerin hatte sich vorgenommen, dass die Arbeiten für ihre Ausstellung im Frauenkulturzentrum Sarah auch vor Ort entstehen sollten, und am liebsten wollte Waitzmann Modelle, die mit dem Frauentreffpunkt verbandelt sind – so wie Gudrun Feigenbutz.

Die 54-Jährige kommt bereits seit Jahrzehnten ins Sarah – seit den Anfängen des Kulturzentrums für Frauen in der Johannesstraße. „Ich bin schon mit 18 Jahren zu Veranstaltungen, politischen Debatten und gemeinsamen Aktionen hergekommen. Damals war Emanzipation ein hart diskutiertes Thema. Es war eine frauenbewegte Zeit, und das Zentrum diente als Schutzraum.“ Bis heute ist sie mit der Einrichtung verbunden, und als Gudrun Feigenbutz registrierte, dass sich für das Kunstprojekt von Waitzmann kaum Modelle fanden, da stellte sie sich gewissermaßen selbst zur Verfügung. „Ich wollte, dass die Ausstellung etwas wird.“

Neugier aufs fremde Bild vom Ich

Zu ihrem guten Willen gesellte sich bald die Neugier: „Ich war sehr gespannt, was für ein Bild herauskommen würde. Ich weiß ja selber nicht, wie ich so rüberkomme.“ Am Ende aber, sagt sie, habe sie das Resultat gar nicht so sehr überrascht. „Die meisten Modelle“, sagt die Künstlerin, „konnten sich in meinen Bildern wiederfinden.“ Nur ein Modell wünschte eine zweite Sitzung. Beim ersten mal hatte sie sich strickend malen lassen. „Sie sagte mir, ihr gefalle das Bild nicht. Ich hätte sie schon gut getroffen, aber sie wirke darauf so verschlossen.“