Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart zeichnet in der Ausstellung „Das neue Lusthaus zu Stuttgart“ die Geschichte eines der beeindruckendsten Renaissancebauten nach.

Stuttgart - Eine der edelsten Schöpfungen deutscher Renaissance, die, wenn wir sie heute noch besäßen, die Hauptsehenswürdigkeit Stuttgarts wäre.“ Dieser Satz des Stuttgarter Chronisten und Denkmalpflegers Gustav Wais bewog Nikolai Ziegler, am Institut für Architekturgeschichte der Uni Stuttgart eine Dissertation zu schreiben. Und zwar über das Neue Lusthaus, das unter Herzog Ludwig von Württemberg erbaut und – nach dessen Tod – Ende 1593 fertig gestellt wurde. Die Doktorarbeit ist die Basis für eine Ausstellung, die jetzt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu sehen ist.

 

„Das Neue Lusthaus zu Stuttgart“ zeichnet die Geschichte des Baus nach, in dessen bewunderter Architektur Hochzeiten, Taufen, Bälle inszeniert wurden. Eines der „stattlichsten Lusthäuser der ganzen Christenheit“ nannte es 1603 der englische Gesandte Lord Spencer. Für den Augsburger Kaufmann Philipp Hainhofer war es „Ain küniglich werckh“ und irdisches „Paradeiß“. Nicht mehr zeitgemäß fand es Württembergs König Wilhelm I. Er ließ es abreißen, um darauf das Königliche Hoftheater zu errichten. Mit den Abbrucharbeiten beauftragte er 1844/1845 den Architekten Carl Friedrich Beisbarth. „Ihm ist es zu verdanken, was wir heute über das Bauwerk wissen“, so Ziegler. Beisbarth erkannte die herausragende Qualität des Baus. Er hielt Gestalt und Details wie Kapitelle mit Löwenköpfen in Hunderten von Zeichnungen fest. „Technisch 1:1, absolut nachbaubar.“

Diese, aber auch Fragmente und Entwürfe aus der Unibibliothek, dem Württembergischen Landesmuseum und anderen Häusern werden mit Dokumenten des Hauptstaatsarchivs gezeigt. „Die Reste des Lusthauses sind über viele Orte verteilt“, so Nicole Bickhoff, Direktorin des Hauptstaatsarchivs. Sie fänden sich auch an der Villa Berg oder auf Schloss Liechtenstein – und als Ruine im Schlossgarten. Den Entwurf für das Deckengemälde des Künstlers Wendel Dietterlin hat die Staatsgalerie ausgeliehen, das Lapidarium das Brustbild des Lusthaus-Baumeisters Georg Beer, das einst unter der Giebelspitze thronte.

Im Hauptstaatsarchiv blickt der sandsteinerne Baumeister Georg Beer auf eine rekonstruierte Ansicht der Giebelfassade, gezeichnet von Beisbarth. „Wir wollen ein Bewusstsein für den Bau wecken und dafür, wie man mit historischen Bauten umgeht“, so Ziegler. Stuttgart reiße diese oft ab. „Zukunft geht nicht ohne das Wissen um die Vergangenheit. Man muss das Lusthaus nicht wieder aufbauen wie das Schloss in Berlin. Aber ein didaktischer Umgang wäre wichtig.“ So könne man etwa das Modell des Lusthauses, das er mit Studierenden in Eichenholz baute, in Bronze gießen und öffentlich präsentieren.

Um dieses Modell herum reihen sich vier Aspekte. Neben den Eindrücken von Zeitzeugen, etwa Blätter des Kupferstechers Matthäus Merian oder ein Blick über Renaissancebauten, ist auch die einzigartige Konstruktion des mehrstöckigen Baus Thema. „Ein Höhepunkt der Holzkonstruktion in Europa, die gesamte Bauerfahrung und schwäbischer Erfindergeist flossen ein“, so der Architekturhistoriker. Besonders bemerkenswert sei der riesige Saal im Obergeschoss, säulenlos, überspannt mit einem Tonnengewölbe. „Die Last wurde mit Kreuzstreben über die Seiten abgeleitet – der erste verschraubte Dachstuhl.“ Ziegler fand heraus, das hier neben Beer auch ein anderer Maßstäbe gesetzt hatte: Der Schorndorfer Zimmermann Elias Gunzenhäuser. Erst als das Hoftheater Wilhelms I. 1902 abgebrannt war, kam das Lusthaus kurz wieder ins Bewusstsein der Bürger. Ein Verein unter Herzogin Wera kämpfte für den Wiederaufbau. „Es sollte mit einer Lotterie finanziert werden“, so Ziegler. „Doch dann war die Lotterie für Zeppeline Hindenburgs wichtiger – und zwei wurden im Deutschen Reich nicht genehmigt.“