Was den Skulpturen von Martin Schubert fehlt, ist in Bildern von Siegfried Schmidt zu sehen – oder umgekehrt. In ihrer Ausstellung „Ohne Nichts ist alles Alles“ nehmen die Künstler in vielen Werken aufeinander Bezug.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Backnang - Auf den ersten Blick haben „Der Sitzende“ und „Quasimodo“ nicht viel gemein. Beiden fehlt etwas – und genau diese Unvollständigkeit ist, was die Kunstwerke von Martin Schubert und Siegfried Schmidt verbindet. Die Arme, die Schuberts Skulptur nicht hat, sind in Schmidts Lithografie vorhanden, die Beine, die dem Bild fehlen, sind an der Keramik geradezu dominant. „Das Werk der zweiten Dimension ergänzt das Werk der dritten Dimension“, erklärt Schmidt das Prinzip. Dieser Ansatz zieht sich durch den überwiegenden Teil der Ausstellung, die seit diesem Wochenende im Backnanger Helferhaus zu sehen ist. „Ohne Nichts ist alles Alles“ heißt das Motto.

 

Licht von drei Seiten

Siegfried Schmidt, der in Leutenbach lebt, und der Stockacher Martin Schubert arbeiten schon seit 20 Jahren immer wieder für Ausstellungen zusammen. Das Helferhaus sei geradezu ideal, um ihr Thema zu beleuchten, sagen beide: Das im Tageslauf wechselnde Licht, das aus drei Seiten in das Gebäude einfalle, eröffne dem Betrachter immer wieder neue Ansichten der Dinge. Über drei Stockwerke verteilt sind fast 90 Exponate zu sehen – Schmidts Lithografien und Schuberts Skulpturen, die im Salzbrandverfahren entstanden sind. Oft sind die Kompositionen in verschiedenen Themenbereichen wie beispielsweise „Europa“, „Weg zum Horizont“ oder „Liebe-Lyrik-Trallala“ in den einzelnen Räumen so angeordnet, dass das Publikum die jeweilige Reaktion auf den Künstlerkollegen gut nachvollziehen kann.

Besonders intensiv ist der Austausch wohl bei der Gemeinschaftsarbeit mit dem Titel „Das Spalier der Durstigen“ gelungen. Schubert hat vielgestaltige Köpfe auf Holzbalken montiert, Schmidt mit direkt daran angebrachten Bildern darauf Bezug genommen. Das gemeinsame Arbeiten habe unter der Gleichung „II+III=I“ gestanden, sagt Siegfried Schmidt. Das zweidimensionale Bild und die dreidimensionale Plastik ergäben zusammen ein Ganzes. Die vierte Dimension sei dann die des Betrachters. Durch die Zeit und den Raum, den sich die Betrachtenden nehmen, werde die Skulptur im Idealfall zu einem Kunstwerk, das persönlich anspreche und hineinziehe in dessen Aussagen – bei den Durstenden etwa dem Ruf nach Gerechtigkeit. „Man könnte ergänzen: II+III+IV=I“, nennt Schmidt die erweiterte Formel.

Im Dialog miteinander

Oft scheint es, als stünden die Werke im Dialog miteinander. „Die sieben Todsünden“ etwa stellt Martin Schubert ganz konkret figürlich dar: den Gierigen, der Geldscheine küsst oder den Maßlosen, der Handy und Laptop gleichzeitig bedient und dabei auf Rädern dahinrollt. Siegfried Schmidt antwortet abstrakt und zweidimensional mit in Schwarz-, Grau- und Grüntönen gehaltenen Bildern, auf denen in Großbuchstaben „Gier frisst“ steht.

Ernst Hövelborn, der Vorsitzende des veranstaltenden Heimat- und Kunstvereins Backnang, der bei der Vernissage am Sonntag ausführlich und feinfühlig in das Werk der Künstler eingeführt hat, kann indes noch mehr in den Werken erkennen, als eine reichhaltige Sammlung an Arbeiten unterschiedlicher Kunststile, die – nicht immer, aber zumeist – Bezug aufeinander nehmen. Die Ausstellung zeuge von einer tiefen Künstlerfreundschaft, sagt Hövelborn, von „Gewogenheit und Interesse für das Werk des Anderen, das so ganz anders ist, aber dadurch immer eine unbekannte Seite eines Buchs aufschlägt“.

Zwei Ausstellungen im Helferhaus

Kunst
Die Werke von Siegfried Schmidt und Martin Schubert sind noch bis 19. März in der Galerie im Backnanger Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Freitag von 17 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr. Montags ist das Helferhaus geschlossen.

Heimat
Parallel dazu läuft, ebenfalls in Regie des Heimat- und Kunstvereins, im Helferhaus-Kabinett die Ausstellung zur Geschichte der Backnanger Hotels. Der Fotodesigner und Hobbyhistoriker Peter Wolf beleuchtet drei Herbergen, die es mittlerweile alle nicht mehr gibt: Das Bahnhofhotel, das Hotel Eisenbahn/Holzwarth und das Hotel Post. Zu sehen sind alte Fotografien und Dokumente. Wolf hat bereits mehrere Ausstellungen über historische Technik organisiert. Zuletzt hat er den historischen Bildband „Streifzuge durch Backnang“ zusammengestellt.