Eine Sonderausstellung des Technoseums in Mannheim präsentiert die Geschichte des Biers und der Braukunst. Anlass ist das 500 Jahre alte Reinheitsgebot – früher wurde der Gerstensaft ob seiner gesundheitsfördernden Wirkung sogar als Medizin verabreicht.

Mannheim - Die Handelsrichter haben ihr Urteil schon gefällt: Mit dem Adjektiv „bekömmlich“, so haben sie Anfang der Woche entschieden, dürfe die Leutkircher Brauerei Härle nicht mehr für ihr Bier werben. Das suggeriere allzu sehr einen Gesundheitsbezug, meinten sie. Was hätten sie erst gesagt, wenn sie über die Werbetafel für „Tauchlitzer Schwarzbier“ zu Gericht gesessen hätten: „Ärztlich empfohlen“ haben dessen Hersteller anno 1910 auf ihr Emailleschild geschrieben. Die Brauhaus Essen AG hat wenig später ihr „Kraftbier“ als „nahrhaft und haltbar“ und als „hervorragendes Familiengetränk“ angepriesen. Noch in den 1950er Jahren hat sich kein Mensch über den Werbespruch „Bier ist gut, sagt der Arzt!“, beschwert.

 

Es konnten sich ja auch alle Verfasser auf den legendären Doktor Johannes Andreas Eisenbarth (1661 – 1727) berufen. Der hatte einst unter Auszehrung leidenden jungen Mädchen warmes Braunbier mit Honig verordnet. Offenbar mit gutem Erfolg: „Mein Gott, wie nahm das Fräulein zu, es konnt schon springen in der Fruh!“, hat er anschließend gedichtet.

Die schönen Sprüche gibt es nur noch im Museum

Doch das ist Geschichte – und deshalb kann man die schönen Sprüche von damals jetzt nur noch im Museum bewundern. In der neuen Sonderausstellung des Technoseums, dem Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, zum Thema „Bier – Braukunst und 500 Jahre deutsches Reinheitsgebot“, hängen sie aufgereiht an den Wänden. Zusammen mit mehr als 300 weiteren historischen und modernen Exponaten, zeigen sie, wie das sprichwörtliche „flüssige Brot“ von der Antike bis heute hergestellt und konsumiert wurde und wird. Es geht um die Entwicklung des Brauwesens und der dazu nötigen Technologie, den vielstufigen und recht komplizierten Produktionsprozess, um die Rohstoffe und die Bedeutung des Getränks, um Geselligkeit und Volksfeste, aber auch um die Kehrseite: Den Missbrauch, die Sucht, die schädlichen Auswirkungen des Alkohols für Jugendliche wie für Erwachsene oder die Risiken im Straßenverkehr. Den Gefahren, der Prophylaxe und dem „maßvollen Genuss“ ist ein umfangreiches und anschauliches Kapitel der Schau gewidmet.

Im Mittelpunkt steht aber die Herstellung des Gerstensafts. Zu sehen sind alte und neue Geräte – vom kupfernen Sudkessel über den Pechkocher, den man zum Abdichten der Holzfässer brauchte, bis zur gut einhundert Jahre alten Bierkutsche der Brauereien Grünbaum und Schmid-Bräu aus Aalen. Das älteste Ausstellungsstück, das auch den Anlass für das Thema geliefert hat, ist das 500 Jahre alte Reinheitsgebot. Ein Druck der bayrischen Landordnung aus dem Jahr 1516, wohlverwahrt in einer Vitrine, bildet den Auftakt der Schau.

Die Brauverordnung regelte den Preis und die Zutaten

Die Verordnung regelte einst nicht nur den Preis für „die Maß“, sondern vor allem auch die Zutatenliste für deren Inhalt. Demnach sollte „zu keinem Bier mehr als allein Gerste, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden“. Anlässe für eine solche Vorschrift der Obrigkeiten gab es offenbar zur Genüge, denn bis dahin war zuweilen – von Ochsengalle bis Bilsenkraut – so einiges in den Biersud gewandert, was dessen Bekömmlichkeit nicht immer zuträglich war. Solchen Panschereien zum Trotz hatte sich das mehr oder minder alkoholreiche Getränk auf Getreidebasis zuvor schon über viele Jahrtausende hinweg bewährt. Die ersten nachweislichen Bierreste haben Archäologen auf Scherben aus dem siebten vorchristlichen Jahrtausend in China gefunden. Fast ebenso lange haben die Sumerer und Babylonier aus geröstetem Brot oder Getreide ihr „Ur-Bier“ hergestellt. Die alten Ägypter haben ihren Toten gelegentlich sogar kleine Modell-Brauereien mit ins Grab gegeben, damit sie im Jenseits nicht darben mussten.

In Deutschland wurde Bier bis ins späte Mittelalter gern im eigenen Haushalt hergestellt und gehörte dort zur Domäne der Frauen. So wusste auch Martin Luther zu schätzen, dass sich seine Frau Katharina Bora als ehemalige Nonne bestens auf das Brauen verstand. Bei der Arbeit waren Bier – und gelegentlich auch deutlich hochprozentigere Getränke - noch bis in die jüngste zeit hinein weit verbreitet. Noch kurz vor der Jahrtausendwende gehörte daher ein Bierautomat in vielen Firmen zum Standardangebot für die Mitarbeiter. Einer von Dinkelacker, der vermutlich einst in einem Betrieb im Schwarzwald stand, hat es bis in die Mannheimer Ausstellung geschafft. 90 Pfennig hat eine Flasche dort bis zum 1. Februar 1992 gekostet. Dann war Schluss. „Es gibt kein Bier mehr lt. Geschäftsleitung“, hat da einer mit rotem Filzstift auf den Automaten geschrieben.