In der städtischen Galerie sind großformatige Ölgemälde des Künstlers Roman Kochanski zu sehen. Doch die Ausstellung „Pirat mit Heimweh“ ist doppelbödig.

Backnang - Es ist künstlerisch von genialer Perfidie, sich harmlose Motive zu suchen und diese mit allen Mitteln der modernen Malerei zu verfremden. Roman Kochanski, dessen Arbeiten zurzeit in der Galerie der Stadt Backnang ausgestellt sind, beherrscht diese Camouflage. Der Besucher, der seine übermannshohen Gemälde in der Galerie der Stadt Backnang betrachtet, tappt immer wieder in die gleiche Falle. Auf den ersten Blick zeigen die Bilder Beduinen, Piraten oder auch Haustiere in harmlos erscheinenden Farben, ein Ausflug in ein illustriertes Bilderbuch oder in das Takatukaland von Astrid Lindgren.

 

Ergebnis eines geplanten, offenen Malprozesses

Wer jedoch näher an die Arbeiten herantritt, kann erkennen, dass sich hinter dem gefälligen Anschein eine ganz gezielte Verwendung von Couleur und Material steckt. „Keine Fläche, kein Farbton ist unbedacht gesetzt“, sagt Martin Schick vom Backnanger Kulturamt, auf dessen Vermittlung hin der Künstler in der örtlichen Galerie ausstellt. An manchen Stellen breche sich „eine fast impressionistische Lichtmalerei“ Bahn, an anderen Stellen schaffe Kochanski „ruhige, monochrome Lackflächen“, formuliert Schick. Wer genau hinsieht, erkennt sogar so harte Übergänge, dass die Flächen mittels Klebestreifen gegeneinander abgegrenzt gewesen sein müssen. „Wir sehen die Ergebnisse eines geplanten und doch offenen Malprozesses“, so Schick.

Es ist eine überaus reife Leistung des erst 32-jährigen Künstlers, der bei Markus Lüpertz, Andreas Schulze und Tomma Abts an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert und dabei offenbar die Arbeit mit Farbe und Material zu schätzen gelernt hat. „Ich bin da so in meiner Welt“, wird er von Schick zitiert.

Man darf sich von der Ausstellung in dem ehemaligen Schulhaus und dem Chorraum der früheren Kirche St. Michael keinen Überfluss an Bildern erwarten, denn die großformatigen Arbeiten, die Sammler zur Verfügung gestellt haben, sind kaum ein halbes Dutzend an der Zahl. Das jedoch gibt den Besuchern die Chance, in jedem Bild auf eine Farbreise zu gehen und nach kunst- und kulturgeschichtlichen Zitaten Ausschau zu halten. Ein Bild nennt sich etwa „God save the Queen“, gezeigt wird ein Mann, der eine britische Fahne hält, mit einer Ziege in einem Boot. Das Ganze erinnere an ein berühmtes Bild von George Caleb Bingham, einem amerikanischen Realisten des 19. Jahrhunderts, erklärt Schick: zwei Händler, die mit einer Katze über den nebeligen Missouri paddeln. In das Motiv habe Kochanski eine Ziege verpflanzt, ein Lieblingstier Picassos, sagt Schick. In jedem Bild gebe es Bezüge zuhauf, aber es sei kein Problem, sie zu übersehen. „Am Ende stehen alle Bilder für sich, und sie versprühen Erzählungen in alle Richtungen, die man ohne Vorwissen aufnehmen kann.“

Aus dem Vollen geschöpft

In einem Raum im Mittelgeschoss hängen kleinere Werke Kochanskis, die Figuren und die Tiermotive sind zum Teil so intensiv gemalt, dass die verspachtelte Farbe aus der Ebene in den Raum hinein zu ragen scheint, „Sich selbst zelebrierende Malerei, die aus dem Vollem schöpft“, nennt das Martin Schick. Und das ordne Kochanski auch in die Kunst seiner Zeit ein, schließlich habe sich erst im 20. Jahrhundert die Erkenntnis durchgesetzt, dass Farbe einen Selbstwert habe, der alleine schon Bildidentität schaffen könne.

Nur in einem Punkt sei die Schau für das Backnanger Museum eine Herausforderung, verrät Schick. Da der Maler seine Farbe sehr dick aufträgt, sind mache Bilder noch nicht völlig abgetrocknet – der Geruch der Ölfarbe ist in manchen Räumen deutlich wahrnehmbar. Mit den Augen darf man Roman Kochanskis Farbvariationen intensiv genießen – aber auf keinen Fall mit den Fingern.