Alle reden von der Reformation. Die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim widmen sich dagegen den Päpsten. Es liegt weniger an den zahllosen Repliken und Gipskopien, dass die Schau nicht recht überzeugt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Mannheim - Ob er sein Vergehen je gebeichtet hat? Musste er Buße tun? Denn es war wahrlich kühn, was sich Karl IV. geleistet hat. 1342 reiste der spätere Kaiser nach Trier, um Reliquien der Apostel Petrus und Andreas zu erbeuten. Dazu versteckte Karl in seinem Ärmel eine kleine Säge, mit der er kurzerhand ein Stück des berühmten Petrusstabes absäbelte. Es war ein besonderer Schatz, den Karl hier mit List und Tücke erbeutete. Aber der Glaube versetzt nicht nur Berge, sondern kann bei manchem auch unfromme Begehrlichkeiten wecken.

 

Landauf, landab widmen sich Ausstellungen derzeit Martin Luther und der Reformation. Die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim haben sich dagegen die Geschichte der Päpste vorgenommen. Der Streifzug durch die Jahrhunderte erzählt von der sukzessiven Zunahme an Macht, Einfluss und Unabhängigkeit von der weltlichen Regierung. Im elften Jahrhundert kursierte denn auch der Satz „Der wahre Kaiser ist der Papst“.

Nach der imposanten Barock-Ausstellung im vergangenen Jahr versuchen die Reiss-Engelhorn-Museen mit der Schau „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ Historie wieder möglichst griffig und sinnlich zu vermitteln. An Hörstationen kann man zum Beispiel dem Petrus-Lied lauschen, einem geistlichen Gesang aus dem zehnten Jahrhundert. Der Rundgang ist chronologisch konzipiert und beginnt zu einer Zeit, als noch viele Götter angebetet wurden. Erst allmählich verliert der Polytheismus an Bedeutung und gewinnt das Christentum an Einfluss. Konstantin der Große ist es, der den Christen 313 erstmals freie Religionsausübung gewährt, der Papst erhält nun sogar eine prächtige Residenz im Lateran. Die Römische Kirche beginnt, in ihren Strukturen das Herrschaftssystem des Kaisers nachzuahmen.

Die Hierarchien im Himmel und auf Erden müssen definiert werden

Videosimulationen veranschaulichen, wie das alte Rom damals aussah, denn die Stadt wird zum Mittelpunkt der Christenheit. Hier kommt es zu hitzigen Debatten über die zentralen theologischen Fragen: Ist der Heilige Geist ein Bruder von Christus? Wo steht Christus in der Hierarchie – ist er Gott untergeordnet oder gleichgestellt? Die Kopie einer Buchmalerei erinnert daran, wie sich die mächtigen Männer der Kirche im Jahr 325 zum Konzil von Nicäa trafen und schließlich ein Glaubensbekenntnis verfassten. Darin wurde unmissverständlich festgelegt, dass Jesus Christus „eines Wesens mit dem Vater“ ist. Ein kleines Fragment eben dieses Glaubensbekenntnisses aus dem Jahr 325 ist in der Mannheimer Ausstellung sogar im Original zu sehen, es wurde im 19. Jahrhundert in Ägypten entdeckt.

Bei solchen grundlegenden Fragen ging es freilich nie allein um Machtfragen im Himmel, sondern immer auch auf Erden. Nach dem Konzil von Nicäa erging es dem Arius zum Beispiel schlecht. Der christliche Presbyter aus Alexandria hatte Gottvater und seinen Sohn nicht für wesensgleich gehalten – nach dem Konzil wurde er deshalb verdammt.

Neben einigen Originalen finden sich in der Ausstellung viele Repliken und Abgüsse

In der Ausstellung finden sich interessante, mitunter auch originelle Originale – wie die seidenen Pontifikalstrümpfe von Clemens II., die mit eleganten Ornamenten verziert sind. Auf einer kleinen Glasscheibe aus dem 4. Jahrhundert kann man auch Petrus und Paulus entdecken, die den Mythos von Romulus und Remus ablösen und nun als Erneuerer Roms gelten. Neben einer großen Auswahl an Münzen und alten Schriften, Büchern und Dokumenten werden in der Ausstellung aber auch sehr viele Repliken und Abgüsse präsentiert. So wurden Sarkophagdeckel nachgebaut, Fresken nachgedruckt und Mosaike in Gips nachgebildet.

Im 6. Jahrhundert weitet sich der Einflussbereich der Christen. Spanien, Britannien, Gallien werden missioniert. Bonifatius ist als Missionar in Thüringen, Hessen und Bayern unterwegs, der Leiter des Erzbistums Mainz gründet zahllose Bistümer und Klöster – ein Stein lässt seine Gesichtszüge noch vage erahnen. Mit achtzig Jahren macht er sich ein letztes Mal auf zu einer Missionsreise nach Friesland, wo er um 755 von Heiden erschlagen wird, beziehungsweise „das Martyrium erlitt“, wie es etwas lapidar in der Ausstellung heißt. Man ahnt, dass diese Missionierungsversuche nicht immer konfliktfrei verliefen, was die Kuratoren allerdings nicht thematisieren.

Aufwendige Video-Simulationen stellen zwar die Architektur von Sankt Paul vor den Mauern oder die Großbauten Roms vor, was aber in den Gebäuden stattfand, erfährt man nicht. Seit Leo dem Großen erhalten die Päpste „vollständige Fülle der Macht“. Bloß: wie wurde diese Macht praktisch ausgeübt? So werden zwar Eckdaten und Marksteine der Geschichte der Päpste erläutert, vieles bleibt aber doch abstrakt. Die Brutalität der Kreuzzüge wird nur en passant erwähnt, sogar die Glaubenslehre, das Fundament des sich allmählich durchsetzenden Christentums wird so selbstverständlich vorausgesetzt wie diverse Fachtermini – ob es Follis oder Papstbulle ist, Häresie oder Memorie.

Beim Rundgang bleibt manches abstrakt

So kann man sich in Mannheim zwar über die großen Entwicklungslinien des Papsttums informieren, insgesamt erreicht die Ausstellung aber bei Weitem nicht die Qualität, die man mit der Barock-Schau vorgelegt hat. Manche Besucher könnten aber auch aus ganz anderen Gründen enttäuscht sein. An einer Stelle des Rundgangs wird Johanna erwähnt, die in Ingelheim geboren worden sein soll. Allen Mythen und Erzählungen zum Trotz hat sie es nicht auf den Papstthron geschafft. Auch wenn sich immer wieder Romane und Filme dem Thema widmeten – eine Päpstin Johanna hat es nie gegeben.