Studenten der Kunstakademie machen in einer Ausstellung in der Agentur für Arbeit die Berufswelt zum Thema.

S-Nord - Früher war der Weg klar. Aufgewachsen in einer Kleinstadt auf der Schwäbischen Alb, wird, wer Abitur macht, Ingenieur und arbeitet anschließend wahlweise bei Bosch oder Daimler, Feierabend ist Feierabend. „Disziplinargesellschaft“ nennt dies Felix Ensslin, Professor für Ästhetik und Kunstvermittlung an der Kunstakademie, und verwendet damit einen Begriff aus der Soziologie. Und heute? „Wir leben in einem Übergang zur Kontrollgesellschaft“, sagt er. „Die Orte des Außen, der Ruhe, der Freiheit, in denen niemand Macht über einen ausüben kann, die sind rar geworden“, sagt Ensslin.

 

Darum und um andere Lebenswirklichkeiten geht es in der Schau „no place to hide – Ort Kontrolle Produktion“, in der Studenten der Kunstakademie Werke in der Agentur für Arbeit zeigen. Kuratiert hat die Ausstellung Ensslin. „Auch in der Kunst verschwinden die Orte, Kunst beschränkt sich nicht mehr auf Galerien und Museen. Kein Künstler kann von einem Galeristen leben“, sagte er zur Eröffnung. Auch die ausstellenden Studenten haben die üblichen Räumlichkeiten verlassen und zeigen bis Mitte Februar auf zwei Stockwerken der Agentur für Arbeit ihre Werke, zu denen Installationen, Malereien, Fotografien und Filme zählen. Rund 100 Studenten hatten sich beworben, um an der Ausstellung teilzunehmen, 57 wurden am Ende ausgewählt. Die Werke von einigen der Studenten indes werden in der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in der Hölderlinstraße gezeigt.

Der Wandel in den Arbeitsagenturen

Einige der Kunstwerke sind gemeinsam mit Besuchern der Arbeitsagentur entstanden. Leonora Ruchay etwa hat Interviews mit Arbeitssuchenden geführt. Die sehr persönlichen Gespräche wurden von Sprechern nachgesprochen und sind damit zu einem Allgemeingut geworden. „Viele Themen sind in den Gesprächen immer wieder aufgetaucht“, sagt die Kunststudentin. Sie hat sich für ihr Werk außerdem mit dem Wandel in den Arbeitsagenturen auseinandergesetzt: „Früher saß man in einer Art Wartehalle und hat gewartet, bis jemand kommt und einen wieder einstellt“, sagt sie. „Heute stehen hier Computer, und man muss selbst tätig werden und suchen.“ So könne der Eindruck entstehen, dass jeder selbst schuld an seiner Situation sei, wenn er suche und nichts finde.

Auch die weiteren Arbeiten befassen sich direkt oder in weiter gefasstem Sinne mit dem Thema Arbeit. Erik Sturm zeigt eine Sammlung von Magneten, die er in Sao Paolo einem jungen Mann namens Diego abgekauft hat. Der 19-Jährige sucht über die Suchmaschine Google Fotos, macht daraus Kühlschrankmagnete und verkauft diese auf der Straße. Damit verdient er seinen Lebensunterhalt.