Annette Kollmann restauriert viele der 2010 durch Hochwasser beschädigten Bilder der Stadt. Eine Ausstellung mit vielen Gerlinger Motiven im Rathaus geht am Freitag zu Ende.

Gerlingen - Das grelle Sonnenlicht ist durch ein Rollo am Fenster gedämpft. Annette Kollmann arbeitet lieber beim Normlicht ihrer Speziallampe. „Die Farbwiedergabe muss stimmen“, sagt die Restauratorin in ihrer Werkstatt in Leonberg-Warmbronn. Auf ihrem Tisch liegt ein „Patient“ bereit: ein Gemälde aus der Sammlung der Stadt Gerlingen, das beim Hochwasser vor fünf Jahren schwer beschädigt worden ist. Kollmann entfernt den Schlamm, sichert Farbschicht um Farbschicht, glättet Riss um Riss. Im Gerlinger Rathaus sind viele der bisher schon geretteten Werke noch in dieser Woche zu sehen. Viele Bilder zeigen Motive aus der Stadt. Auch aus den Zeiten, als Gerlingen noch ein beschauliches Dorf war.

 

Mit Wattestäbchen werden die vom Schlamm stammenden Erdkrümel abgetragen. Foto: factum/Bach
Die städtische Kunstsammlung umfasst Hunderte Werke, vor allem von regional und lokal bedeutsamen Künstlern. Ein Schwerpunkt wurde in den vergangenen Jahrzehnten auch auf lokale Motive gelegt. Das Depot stand beim Hochwasser am 4. Juli 2010 komplett unter Wasser. Es war zwar noch an jenem Sonntag wieder abgepumpt worden – patschnass waren die Lagerbestände dennoch: eingerahmte Öl- und Acrylbilder ebenso wie Hunderte Arbeiten auf Papier, ob Zeichnungen, Pastelle oder Aquarelle. Zwei Tage nach der Flut wurde dann ausgeräumt.

Grafische Motive mit Schlamm überzogen

„Mit acht oder neun Leuten haben wir alles rausgetragen und zum Trocknen aufgestellt“, berichtet Andrea Löhle vom Hauptamt. Da seien die Restauratoren schon vor Ort gewesen und hätten Tipps zur Rettung gegeben. „Die Staatsgalerie in Stuttgart hat uns die Fachleute empfohlen.“ Man bildete zwei Chargen: alle Arbeiten auf Papier, sowie die Werke auf Leinwand, Pappe oder Holz. Norbert Schempp aus Kornwestheim übernahm knapp 400 Arbeiten auf Papier, Annette Kollmann aus Warmbronn etwa 70 Gemälde. Seit fünf Jahren restauriert sie eines nach dem anderen, Stück für Stück. Rund 20 sind noch bis zum Freitag im Rathaus zu sehen.

In der Werkstatt sind gerade drei Werke: das romantisierende Sujet „Bauern bei der Kartoffelernte“ von Hermann Umgelter steht fertig auf einer Staffelei. „Farbschichten waren da in großen Schollen abgehoben“, berichtet die Fachfrau. Ein grafisches Motiv von Anton Stankowski ist noch voll überzogen mit getrocknetem Schlamm. Annette Kollmann hat in der Ecke links unten begonnen, die Farbschichten freizulegen. Auch die „Stadt am Berg“ von Fritz Mader ist noch in Arbeit– auf dem fantasievollen Bild einer Stadt am Meer sind überall kleine weiße Streifen zu sehen.

Alkohol oder Cellulosekleber helfen

Jedes dieser Bilder zeigt ganz typische Schäden: Wasser weicht die Farben auf, dadurch bilden sich Risse oder ganze Farbplatten platzen ab. Hier kann Alkohol helfen oder flüssiger Cellulosekleber. Oder angeschwemmte Papierfetzen kleben dran. Oder der Bildträger, Pappe oder Leinwand, ist verformt, gewölbt oder verzogen. Auch solche Schäden lassen sich restaurieren, manche aber nicht komplett beheben. Annette Kollmann und ihr Mann Felix Muhle haben jahrzehntelange Erfahrung in ihrem Fach, beide arbeiten auch für große Museen im Land. So hat Kollmann das berühmte Bild „Stuppacher Madonna“ von Matthias Grünewald restauriert, aktuell arbeitet sie für die Kunsthalle Karlsruhe am Gemälde „Die Kreuztragung“ aus dem Jahr 1525 desselben Malers – von der Kunsthalle als „ein Hauptwerk deutscher Kunst“ eingestuft.

Für die Gerlinger Bilder wird Annette Kollmann noch einige Jahre benötigen, „die Hauptarbeit wartet noch“. Vor fünf Jahren, als sie zum ersten Mal den Schaden besichtigt hat, sei ihre erste Reaktion ein „oh je“ gewesen, gibt Kollmann freimütig zu. Mittlerweile, so sagt sie, „bin ich erstaunt, in welchem zum Teil guten Zustand die Bilder noch sind“. Und durch ihr Tun werden sie wieder so, dass Kunst aus und über Gerlingen wieder genossen werden kann – ohne Schlammschicht.