Katharina Krenkel rückt das Häkeln, eine als minderwertig eingestufte weibliche Tätigkeit, in den Fokus der Kunst. Sie arbeitet mit Wolle, aber auch mit Videobändern oder Abfällen aus der Autoproduktion. Zu sehen ist ihre „Maschenprobe“ in Hohenheim.

Hohenheim - Ein langer, hellgrüner Schal wies den Weg zur Künstlerin. Wer ihm folgte, gelangte zu Katharina Krenkel, die im Treppenhaus des Tageszentrums an der Paracelsusstraße neben einem überdimensionalen Wollknäuel saß und häkelte. Die Besucher der Vernissage folgten zuerst noch zögerlich der Einladung, das Kunstwerk „Rapunzel, lass Deinen Schal herunter!“ etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Krenkels „gehäkelte Ausstellung“ mit dem Titel „Maschenprobe“ ist bis zum 24. April im Tagungszentrum der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu besichtigen.

 

Katharina Krenkel, 1966 in Buenos Aires geboren, ist in Stuttgart aufgewachsen und lebt in der Nähe von Saarbrücken. Ihre Arbeiten sind gehäkelt, doch die Materialien beschränken sich nicht auf Wolle. Sie verarbeitet alte Videobänder ebenso wie schwarze Gummischnüre, die als Abfall bei der Produktion von Autotürdichtungen abfallen („Matrix“). Oder sie verwandelt ihre Handarbeiten in einen Häkeldruck auf Papier.

Handarbeiten sind hochempfindlich

„Stricken und Häkeln hat ja wieder Hochkonjunktur“, stellte die Gastgeberin Ilonka Czerny, Referentin für Kunst an der Akademie, bei der Begrüßung fest. Katharina Krenkels Objekte sind jedoch keine Handarbeiten, die auch in die Hand genommen werden dürfen: Sie sind hochempfindlich. Tasten und Fühlen durften die Besucher lediglich im Archivkästchen der Künstlerin, in dem zu jedem ihrer Werke eine Musterprobe enthalten ist.

„Da sitzt sie also fleißig in ihrem Rapunzelturm und häkelt“, machte die Gastrednerin Veronika Mertens mit der Künstlerin bekannt. Die Leiterin des Kunstmuseums Albstadt (vormals Galerie Albstadt) pries Katharina Krenkel als „Bildhauerin von Soft-Sculptures“, die statt Pinsel oder Hammer und Meißel die Häkelnadel virtuos bediene. Während Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel maschinell hergestellte Arbeiten zur Kunst adelten, ginge Krenkel den umgekehrten Weg: „Geradezu trotzig bekennt sie sich zum Handwerk“, sagte Veronika Mertens. Häkeln, eine als minderwertig eingestufte weibliche Tätigkeit, werde bei ihr in den Fokus der Kunst gerückt.

Neue Sichtweisen dank Häkelkunst

Schon in der Renaissance, so die Laudatorin, sei nicht nur die Kunstfertigkeit wichtig gewesen, sondern auch die Idee. Mit Joseph Beuys sei dann der Werkstoff aus seiner dienenden Rolle befreit worden. Katharina Krenkel, ausgehend vom Alltäglichen, schenke den Betrachtern durch ihre Ideen neue Sichtweisen. Der grüne Schal beispielsweise kann als „dargestellte Zeit“ gesehen werden. Mit „Holy Rock“, einem blauen Hemdchen in einem blauen Kreis, wird das Schweißtuch der Veronika zu einer neuen Ikone. Dazu hat die Künstlerin eine eigene Drucktechnik erfunden, bei der auch der Druckstock gehäkelt ist.

Ihre rosa Vierecke, mit Tinte bemalt, mit Brandlöchern versehen, geschnitten und gerahmt (Titel „Kathrinchen war allein zu Haus“ ) verweisen auf die materielle Vergänglichkeit ihrer Schöpfungen. „Sie sind sensibel – wie die Schöpfung überhaupt“, merkte Veronika Mertens an. Nicht alles ist schön: An einer weißen Wand kriechen überdimensionale graue Ungeziefer, vom Innenhof lugen undefinierbare Gestalten neugierig in den Vortragssaal. Viele der Arbeiten sind noch im Werden und Wachsen: In der Kapelle der Akademie liegt ein Altartuch in verschiedenen Blautönen wie ein Fluss auf dem Boden. „Dieses Wasser fließt sogar bergauf“, beschrieb Veronika Mertens die Faszination dieser Arbeit, die in den nächsten Wochen auch in weiteren Stuttgarter Kirchen gezeigt wird.

Den Abend beschloss ein von Katharina Krenkel geleiteter Häkelkanon: Drei Teilnehmer aus dem Zuhörerkreis demonstrierten das Verarbeiten von Videobändern akustisch.

Ausstellung:

Die gehäkelte Ausstellung mit dem Titel „Maschenprobe“
von Katharina Krenkel ist bis zum 24. April werktags von 9 bis 18 Uhr im Tagungszentrum, Paracelsusstraße 91, zu sehen.