Eine Ausstellung zur Filmtrilogie „Paradies. Liebe/Glaube/Hoffnung“ im Hohenheimer Tagungszentrum gibt Einblicke in die Arbeit des Regisseurs Ulrich Seidel. Die rund 40 Filmkader sind zum Teil recht provokant.

Hohenheim - Die Filme des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl sind keine leichte Kost. Er greift meist unbequeme Themen auf und hat eine ganz eigene, verstörende Bildsprache gefunden, die zum Teil heftige Reaktionen hervorruft. In einer Ausstellung, die im Tagungszentrum der katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart an der Paracelsusstraße zu sehen ist, werden Bildausschnitte seiner viel diskutierten Trilogie „Paradies. Liebe/Glaube/Hoffnung“ gezeigt.

 

Die etwa 40 großformatigen Filmkader sind Vergrößerungen des 16 Millimeter großen Filmmaterials. Sie bilden die weniger drastische Seite von Seidls Arbeiten ab, regen aber ebenso zum Nachdenken und Diskutieren an. Bei der Vernissage in der Kunst-Raum-Akademie im Tagungszentrum erläuterte Ilonka Czerny, Referentin für Kunst an der Akademie, die Hintergründe. Regieassistentin Astrid Wolfig berichtete von der nicht immer einfachen Arbeit mit Ulrich Seidl.

Sein neuester Film hat heftigen Wirbel ausgelöst

Der 1952 in Wien geborene Filmregisseur wuchs in einer streng religiösen Familie auf. Nach einigen Dokumentarfilmen und seinem ersten Spielfilm „Hundstage“ war seine Paradies-Trilogie nacheinander bei den wichtigsten Filmfestspielen in Cannes, Venedig und Berlin vertreten. Dass der Regisseur nicht wie angekündigt an der Vernissage in Hohenheim teilnehmen konnte, lag an seinem neuesten Film „Im Keller“. Dieser hat noch vor der Premiere in Österreich für heftigen politischen Wirbel gesorgt, weil ÖVP-Politiker in einer feucht-fröhlichen Runde unter einem Hitler-Bild gezeigt werden. Seidl musste sich nun in Wien dem Medientrubel stellen.

In „Paradies. Liebe“ sucht eine alleinerziehende, übergewichtige Mutter nach käuflicher Liebe in Kenia; die Bilder scheinen aus einem Werbeprospekt zu stammen, zeigen aber auch die schwierigen Lebensbedingungen der Männer. In „Paradies. Glaube“ missioniert eine strenggläubige Katholikin mit einer Wandermadonna, während sich ihre Ehe mit einem an den Rollstuhl gefesselten Muslim als wahre Hölle entpuppt. In „Paradies. Hoffnung“ ist ein Diät-Camp für Jugendliche der Schauplatz einer Liebesgeschichte zwischen einem pubertierenden Mädchen und einem älteren Arzt.

Das Paradies als Sehnsuchtsort

Allen drei Hauptfiguren der Filme ist gemeinsam, dass sie nach Liebe suchen. Es geht um das Paradies als Verheißung eines immerwährenden Glückszustandes, als einen Sehnsuchtsort. „Den Zuschauern wird dabei manches zugemutet, letztlich aber werden sie zum Reflektieren animiert“, sagte Ilonka Czerny. Seidls Filme provozieren, doch seine Sujets nimmt er aus der Realität. „Ein wichtiges Anliegen ist ihm die Wahrhaftigkeit“, betonte Astrid Wolfig. „Es sind gesellschaftsrelevante Themen, und das sind oft Tabu-Themen.“

Außergewöhnlich ist auch die Arbeitsweise Seidls: Es gibt kein Drehbuch im eigentlichen Sinne. In Gemeinschaftsarbeit mit seiner Lebensgefährtin Veronika Franz entstehen erste Dialoge. Das langwierige Casting versammelt dann Profi-Schauspieler und Laien, die ihre eigene Sprache einbringen sollen. Es wird nicht geprobt, sondern improvisiert.

Die Idee zur Trilogie fiel im Schneideraum

Es wird – wie sonst nicht üblich – chronologisch gedreht, es gibt nur wenige Takes, um möglichst authentisch zu bleiben. „Beim Schneiden des 80 Stunden langen Filmmaterials entsteht oft ein ganz anderer Film“, erzählte Astrid Wolfig. Im Schneideraum wurde auch entschieden, aus einem über fünfstündigen Film eine Trilogie zu machen. Durch die Vergrößerung des „fingernagelgroßen“ Filmmaterials wirken die Bilder, die nun in Hohenheim zu sehen und auch in einem Bildband vereint sind, grobkörnig. Die Ausstattung ist schlicht, die Darsteller wenden sich oft der Kamera zu (das sogenannte Seidl-Tableau).

Die bisherige Resonanz von Tagungsbesuchern spiegelte diejenige der Filmbesucher wider: „Alles Schweinerei“ fanden die einen. „Es ist gut, dass sich die katholische Kirche solchen Bildern öffnet“ die anderen.

Die Ausstellung im Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Paracelsusstraße 91, ist bis 18. Januar 2015 werktags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags auf Anfrage zu sehen.