Sie sind behindert oder auch nicht. Ein Fotograf, der gleichzeitig Arbeitserzieher ist, hat 100 Menschen abgelichtet. Die Porträt sind in einer Ausstellung in Birkach und Plieningen an verschiedenen Orten zu sehen.

Birkach/Plieningen - Dem Betrachter fallen erst einmal Allgemeinplätze ein, wenn er die Fotoporträts der Ausstellung „Gsichtzeigen“ in Augenschein nimmt. Die eine hat ein ehrliches Lachen, der andere einen Blick, der wohl schon zu viel gesehen hat. Das klingt banal. Aber der Eindruck bleibt, wirklich etwas über die Menschen zu erfahren, deren Abbild bis Mitte Juli im Bezirksrathaus an der Filderhauptstraße und anderen Orten in Plieningen und Birkach im Porträtrahmen hängt.

 

Eine Leinwand, eine Kamera und vier Blitzgeräte, das war alles, was Markus Sattler brauchte, um die Werkstätten und Wohnheime des Behindertenzentrums Bhz vorübergehend in ein Studio zu verwandeln. Mitarbeiter des Bhz kamen im Jahr 2013 auf die Idee, mit einer Fotoaktion die Gesichter von Menschen mit und ohne Behinderung zum Gegenstand einer Ausstellung zu machen.

Nun sind die Porträts der Gesichtzeiger in Birkach und Plieningen zu sehen. Das freut die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel. „Ich finde die Bilder sehr ausdrucksstark. Das ist eine tolle Aktion.“

Unkomplizierte Arbeit

Markus Sattler dürfte das Lob der Bezirkschefin gerne hören. Er ist als Arbeitserzieher beim Bhz tätig. Außerdem arbeitet er in seiner Freizeit als Fotograf. Vor zwei Jahren übernahm er die Regie bei der Aktion „Gsichtzeigen“. Er schildert seine Arbeit an den Porträts als unkompliziert. In den Einrichtungen des Bhz wurde damals auf die Aktion aufmerksam gemacht. Wer wollte, konnte sich melden, um sich ablichten zu lassen. „Wir sind dann meistens in den Arbeitspausen angerückt und haben das schnell erledigt“, sagt Sattler. Hundert Menschen haben sich gemeldet, um an der Fotoaktion teilzunehmen. Meist Menschen mit Behinderung, aber auch solche ohne Handicap. Alle seien auf die eine oder andere Weise mit dem Bhz verbunden, sagt Markus Sattler.

Seine Porträts sind hochauflösend und damit ziemlich klar. Jedes Detail des Gesichtsausdrucks soll sichtbar werden, um so den Betrachtern einen Eindruck von der unbekannten Person zu geben. Die Fotografien sind in Schwarz-weiß. Die bunten Holzrahmen wirken deshalb als deutlicher Kontrast. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf jede Lachfalte oder jedes Grübchen im Gesicht der Abgebildeten. Auch die Wahl des Rahmens sei also ein bewusst gewähltes Ausdrucksmittel, erklärt Sattler.

Die Rahmen wurden aus alten Obstkisten in den Werkstätten des Bhz gefertigt. „Natürlich wollen wir auch zeigen, was wir in den Werkstätten alles herstellen“, sagt Markus Sattler. Das eigentliche Ziel sei aber etwas anderes. „Die Menschen wollen zeigen, dass es sie gibt“, sagt Markus Sattler. Und sie wollen einen Eindruck geben, wer sie sind jenseits von Klischees.

Individualität der Gesichter

Dass Menschen mit und ohne Behinderung bunt gemischt sind, ist gleichfalls bewusst so geschehen. Die Individualität der Gesichter zeigt eindrücklich, dass das Vorhandensein eines Handicaps einen Menschen nicht bestimmt, sondern nur ein Aspekt der Biografie ist – neben vielen anderen.

Die Fotos der Aktion „Gsichtzeigen“ sind noch bis Mitte Juli in Plieningen und Birkach zu sehen. Zuvor wurden sie in Möhringen ausgestellt. Ziel sei es, sie auch in anderen Bezirken in Stuttgart zu präsentieren. „Wir würden die 100 Teilnehmer gerne auch außerhalb ihrer Arbeit fotografieren, um einen Eindruck davon zu geben, was ihnen in ihrem Privatleben wichtig ist“, sagt der Fotograf. Menschen, die nichts mit dem Bhz zu tun haben, sollen in Zukunft ebenfalls mitmachen und ihr Gesicht zeigen. Das wünscht sich Sattler.

Infos zur Ausstellung:

Die Ausstellung „Gsichtzeigen“ ist bis zum 15. Juli unter anderem im Bezirksrathaus, in der Stadtteilbücherei Plieningen, in der Gemeindekirche Steckfeld und im Café Fröschle zu sehen. Am Mittwoch, 8. Juli, und Dienstag, 14. Juli, können die Porträts an den unterschiedlichen Standorten in Augenschein genommen werden.