Als Papageienmann gehörte er lange zum Stadtbild. Jetzt hat sich Martin Felbinger auch als Ausstellungsmacher versucht. In seiner Wohnung im Stuttgarter Westen. Wir haben ihn besucht.

S-West - Martin Felbinger? Der Name dürfte den meisten Stuttgartern nichts sagen. Erwähnt man hingegen den Papageienmann, wird manchem ein Licht aufgehen: Jahrelang war Felbinger mit seinem Vogel und seiner Bassklarinette in der City unterwegs. Geraume Zeit hat man ihn und seinen grün gefiederter Freund Kochanie allerdings kaum noch gesehen. „Mir fehlt die Straße“, seufzt der ehemalige Großhandelskaufmann.

 

Die Lebensumstände ließen es nicht zu, dass der Mittfünfziger seiner Passion nachging. Depressive und manische Phasen sorgten für Unruhe. Der Vogel musste in Pflege gegeben werden, wo er verstarb. Ein Wandbild auf dem Balkon erinnert an den Weggefährten. „Das hat ein Bekannter von mir gemalt“, erklärt Felbinger. „Ihn habe ich damals auch gleich gefragt, ob er bei mir eine Ausstellung machen möchte, aber das kam dann nicht zustande.“

Im Treppenhaus im Rampenlicht stehen

Stattdessen wurde Felbinger selbst aktiv. Er schuf dutzende kleiner Installationen, die derzeit das Treppenhaus der Hasenbergstraße 89 beleben und die gesamte Wohnung beherrschen. Viele beziehen sich auf gängige Redewendungen wie „Im Rampenlicht stehen“. In diesem Fall genügt ein Baustrahler. Ein altes Xylofon wiederum symbolisiert den sprichwörtlichen Holzweg. Andere Stücke sind persönlicher: Das verschnürte Kissen auf dem Treppenabsatz gibt Rätsel auf, ehe Felbinger erklärt, es erinnere an eine Frau, die in der Psychiatrie regelmäßig fixiert worden sei. Mit der Tatsache, dass Klinikaufenthalte zu seinem Leben gehören, geht er offen um: „Wenn ich normal wäre, hätte ich es nie gewagt, mit meinem bescheidenen Können in der Fußgängerzone Musik zu machen“, überlegt er. „Ich habe das immer sehr genossen, obwohl es auch unfreundliche Reaktionen gab. Im Grunde bin ich ein Aufmerksamkeits-Junkie.“ Das hat nichts mit Ich-Bezogenheit zu tun: „Oft habe ich mehr mit Passanten gesprochen, als gespielt“, blickt er zurück. „Mal hat mir jemand von seinem Liebeskummer erzählt, dann waren es wieder Kinder, die etwas über den Papagei wissen wollten.“ Wichtig war immer das Gefühl, anderen etwas geben zu können. Der Lebenskünstler scheint ein Talent dafür zu haben, Mitmenschen positiv zu stimmen. Möglichen Beschwerden über die Ausstellungsstücke im Treppenhaus hat er vorgebeugt, indem er selbst gebackenen Apfelkuchen an die Hausbewohner verteilte.

Seit 15 Jahren mit Woitek Zigmund befreundet

Etliche Besucher haben sich bereits in Felbingers kleine Welt gewagt, darunter Gäste wie der Pfarrer, der ihn konfirmiert hat. Er ist inzwischen 82 Jahre alt. Beworben hat er seine Sammlung mit ein paar Handzetteln. Ansonsten steht ein Schild vor der Tür, das auf die Ausstellung hinweist, die noch diese Woche zu sehen ist. Angekündigt werden dort auch Woitek Zigmund aus dem polnischen Koszalin und Gina Lollobrigida. „Man muss die Leute ja neugierig machen“, merkt Felbinger verschmitzt an. Frau Lollobrigida begegnet einem später tatsächlich in der Küche, wo eine Installation der erfolglosen italienischen Fußball-Nationalelf gewidmet ist. Woitek ist mit einem kleinen Gemälde vertreten. „Wir sind seit 15 Jahren befreundet“, sagt Felbinger. „Ich hatte auch einmal eine Liebe in Polen und war zweimal im Jahr dort.“ Im Wohnzimmer finden sich Erinnerungen an diese Zeit. Doch Felbinger lebt nicht in der Vergangenheit. Es gibt Zukunftspläne. Auch hinsichtlich einer möglichen Rückkehr zur Straßenmusik. „Ich nehme wieder Instrumentalunterricht“, erzählt er. „Mir fehlt es, für die Leute zu spielen.“ Einen neuen Papageien wird es allerdings nicht geben, da ist er sich sicher: „Dieses Kapitel ist abgeschlossen.“