Eine Ausstellung in Schorndorf zeigt Arbeiten des Basler Künstlers Tilman Zahn. Er bearbeitet Papier in einer sehr ungewöhnlichen Weise.

Schorndorf - Aus der Ferne betrachtet, ist man sich bei Tilmann Zahn gar nicht so sicher, mit welchen Stoffen er eigentlich umgeht. Der aus Osnabrück stammende Künstler, der seit gut 25 Jahren in Basel lebt und arbeitet, vermag es in seinen mehrere Meter breiten Arbeiten, jede Eindeutigkeit zu vermeiden. Gefärbt sind sie überwiegend einem rostigen Braunton, man erkennt darin ein Gewirr von dem, was man Industriearchitektur nennen könnte: Es erinnert an ineinander verschlungene Stahlträger, die sich manchmal so gruppieren, als würde man von unten in einen Hochspannungsmasten hineinsehen.

 

Papierkunst, die skulptural ist

Das Material ist hingegen von großer Leichtigkeit: Es ist Papier, in das Lücken und Löcher hineingerissen wurden. Weil es, an langen Nägeln befestigt, leicht über der Wand schwebt, wirken die Gebilde räumlich. Sie habe noch nie eine Papierkunst gesehen, die so skulptural wirke, sagt die Schorndorfer Kulturforums-Geschäftsführerin Alexa Heyder. Man sei sich in der Ausstellungskommission schnell einig gewesen, dass Zahn die richtige Wahl für das Skulpturenjahr sei, sagt Heyder.

Zu einer ungewöhnlichen Zeit, nämlich am Sonntag von 11.30 Uhr an, wird die Ausstellung mit einer Einführung von Tobias Wall von der Hochschule für Wirtschaft und Medien Calw eröffnet. Wall dürfte auch Gedanken darauf verwenden, was Tilmann Zahn nun ist: ein Bildhauer oder ein bildender Künstler. „Ich richte mich nicht viel nach den Grenzen“, sagt Zahn selbst. Wie man ihn einordne, sei doch nebensächlich. Gemalt habe er schon im Alter von zehn Jahren, und dass er sich den industriellen Überresten angenommen habe, habe mit einer Art Sammelleidenschaft zu tun. Er sei früher gerne durch alte Industrieareale gestreift und habe Fundstücke von dort nach Hause mitgenommen. Besonders beeindruckt haben ihn später die großen stählernen Artefakte, etwa an einer alten Eisenbahnbrücke in der US-amerikanischen Stadt Cleveland. Die Brücke wirke von unten betrachtet fest, sagt Zahn. Wenn man über sie laufe, erkenne man die Rostlöcher, die Zeichen der Vergänglichkeit.

Die Überreste inspirieren

Diese metallischen und organischen Überreste inspirierten ihn zu Formen, die er dann zeichnete. In der Ausstellung in der Galerie Q lassen sich einige dieser Fundstücke bewundern. Kreise aus verkohlten Holzstücken und auf dem Boden arrangiertes Metall in Form einer Explosion. Die Vorliebe zu solchen Objekten übertrug Zahn auf Zeichnungen, das Papier behandelte er mit verdünnter Ölfarbe, die Formen riss er kunstvoll aus dem Material.

Einen weiteren Grenzgang vollzieht Zahn in beruflicher Hinsicht. Er ist nämlich nicht im eigentlichen Sinne Mitglied der Basler Künstlerszene, sondern Profimusiker und spielt als Solo-Oboist für das Basler Sinfonieorchester. Die Musik sei ein Bereich, den er vollständig von der Kunst abtrenne, stellt Zahn klar. Sein Künstlertum und das Leben als Musiker funktionierten völlig getrennt voneinander. Allerdings seien seine Arbeiten auch bei seinen Musikerkollegen beliebt, die öfters zu seinen Ausstellungen reisten. Weil die Kunst unbeschränkter sei, würde er sich im Zweifelsfall für diese Richtung entscheiden, sagt Tilmann Zahn. „Zumindest nach meiner Pensionierung als Musiker“, fügt Zahn augenzwinkernd hinzu.