Drei Jahre lang haben sich vier befreundete Künstlerinnen Briefe geschickt und diese von Mal zu Mal künstlerisch ergänzt. Das Ergebnis wird nun in Botnang ausgestellt.

Botnang - Ein Austausch per Briefwechsel, volle drei Jahre lang: Wie wunderbar altmodisch! Die pure Inspiration im DIN-A-4-Format, als „stille Post“ ins Werk gesetzt, wie das alte Kinderspiel. Und ähnlich ver-rückt war nicht selten das Ergebnis, auch wenn die Kette nur aus vier Personen bestand. Denn eines war klar bei diesem Projekt: Wer A sagt, muss die Andere B sagen lassen, und nach C hat D das letzte Wort. Nach diesem Prinzip haben sich Christine Fluhrer, Ingeborg van Loock, Ellen Raith-Kraak und Stephanie Wieck-Hoening drei Jahre lang Kunstwerke geschickt mit der Maßgabe, dass das Eingetroffene kreativ weiter zu bearbeiten und dann weiterzugeben sei. Und die Vierte im Bunde hatte zu finalisieren.

 

„Die Freude, etwas Überraschendes im Briefkasten zu finden, war einfach beflügelnd“, sagt Fluhrer, „und dann die spannende Herausforderung, darauf jeweils neu zu reagieren.“ Gelegentlich habe sie sich auch „für den Moment überfordert gefühlt, vor allem, wenn mehrere Arbeiten gleichzeitig dalagen“, bekennt Raith-Kraak, „dann bin ich hundert Mal drum herum gelaufen, bis ich die passende Idee hatte“. Jetzt, da die über 40 abgeschlossenen Arbeiten gesammelt vorliegen, sagt Fuhrer launig: „Ich habe dann gedacht, da kommt ja noch jemand, der es retten kann.“

Harte Diskussionen

Einmal aber fand Wieck-Hoenig das, was aus drei Händen kam, nicht tauglich. Ein Kunstwerk ist trotzdem draus geworden: ein Mobile, das nun als „Hängepartie“ über der Treppe zum unteren Raum der Galerie am Kullenberg baumelt: „Ich habe das Bild zerschnitten und was Neues draus gemacht.“ Das funktioniert natürlich nur „wenn eine Vertrauensbasis da ist“, betont van Look, „aber wir kennen uns schon lange. Und wenn wir uns getroffen haben, wurde manchmal hart diskutiert, bis ins Detail. Wir wollten, dass Kunst entsteht. Aber die Freundschaft durfte nicht leiden.“

Ganz am Anfang hat Raith-Kraak den „Briefwechsel“ selbst thematisiert, vier aufgeklappte Briefumschläge aufgeklebt und frei übermalt. Fluhrer hat mit Bleistift fragmentarisch drübergeschrieben, mit Ölkreide rohe Richtungspfeile und Herzen draufgezogen, worauf van Loock mit weißer Farbe abgedeckt und reduziert hat. Und Wieck-Hoening hat nurmehr eine bedruckte Karte in den Umschlag rechts unten gesteckt: „Och nö.“ Und gerade noch heraus linst die „3. Mahnung“. Ein andermal wurde ein weißer Ikea-Vorhang mit zwei Tuben Ockerfarben gesättigt und dann den Anderen „zum Fraß vorgeworfen“. Faszinierend, den angestoßenen kreativ-kommunikativen Prozess nachzuvollziehen: der Vorhang in Rechtecke zerschnitten, neu sortiert, geklebt und genäht. Dann links ein Blatt hinzu gefügt, mit breitem, horizontalem Pinselstrich zwei vertikalen Balken aus breitem, schwarzen Pinselstrich. Im letzten Schritt ganz sparsam links orangene Pinselstriche drübergesetzt, rechts unten eine Spur derselben Farbe und in etwa aus der Mitte ein an einer offenen Schnur baumelndes, schwarzes Quadrat.

Routine kommt nicht auf

Das Verblüffende an alledem: Die Arbeiten wirken nicht wie aus vier disparten Teilen irgendwie gefügt, sondern als je selbstverständliche Einheiten. Wie von einer einzigen Hand zielbewusst ins Werk gesetzt, mit unterschiedlichen Techniken und Materialien, stilistischen Eigenheiten und Temperamenten. Da die Reihenfolge der Bearbeitungen ständig geändert wurde, kommt keine Routine auf. Ein besonderer Reiz erwächst den einzelnen Arbeiten auch daraus, dass das Quartett aus zwei Malerinnen auf zwei graphisch und plastisch Arbeitende besteht. Das hat offensichtlich kreativ Funken geschlagen. Die Vielfalt zeugt manchmal von Zusammenklang, viel eher aber von einer Spannung und Kraft – und von eminent entfachter Kreativität. Und eines steht jetzt schon fest: „Wir haben viele Ideen, wie es weitergeht“, sagt van Loock. Der „Briefwexel“ wird weitergehen.

Info Die Ausstellung „Briefwexel“ ist am Freitag und Samstag, 19. und 20. Mai, von 15 bis 19 Uhr, sowie am Sonntag, 21. Mai, von 11 bis 18 Uhr in der Galerie am Kullenberg zu sehen, Robert-Stolz-Weg 3. Vernissage ist am Donnerstag, 18. Mai, um 19 Uhr.