Eine neue Dauerausstellung im Psychologischen Institut in Tübingen zeigt präzise Mechanik, die komplizierte kognitive Vorgänge erklärbar machen soll. Gestaltet und zusammengestellt wurde die Schau von Studenten des Faches.

Tübingen - Wie schnell können Menschen reagieren? Weiß meine linke Hand, was die rechte tut? Kann ich meinen Augen trauen, oder anders: wie entsteht eine optische Illusion? – Es sind Rätsel des Alltags, für deren Lösung Psychologen Experimente erfanden. Der Fachbereich Psychologie an der Universität Tübingen besitzt eine Sammlung von mehr als 300 historischen Apparaten, die eigens dafür gebaut wurden. Jetzt hat das Universitätsmuseum für 24 davon einen dauerhaften Platz geschaffen. Die Flure im Psychologischen Institut, der klassizistischen früheren Frauenklinik, verbreiten mit ihrer Verglasung zum Innenhof Museumsatmosphäre, und Studenten wie Besucher sind zu einer vergnüglichen Reise durch die Geschichte des Fachs geladen.

 

Bei Psychologie denken die meisten zunächst an Therapien für Lebenskrisen. In der Allgemeinen Psychologie aber wird die Wahrnehmung von jedermann erforscht, während sich Entwicklungs-, Kognitions- oder Sozialpsychologie damit beschäftigen, wie sich Denken und Verhalten in der Lebenszeit oder unter besonderen Einflüssen ausprägen. Die meisten der ausgestellten Apparate wurden gebaut, um allgemeinpsychologischen Fragen auf die Spur zu kommen. 1922 hatte Traugott K. Österreich gegen erhebliche Widerstände die Experimentalpsychologie nach Tübingen gebracht und dafür eine feinmechanische Werkstatt aufgebaut. Ihre Geräte sowie die anderen Sammlungen der Universität in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist Ziel des Museums der Universität Tübingen, das noch kein eigenes Haus hat, aber seit 2005 schon 18 Ausstellungen dezentral gestaltete und mit seiner Konzeption auch den Wissenschaftsrat der Bundesregierung überzeugte.

Von haptischen und optischen Illusionen

Psychologen messen beispielsweise Höreindrücke mit Zylinderresonatoren, die Breite des Gesichtsfelds mit Perimetern oder auch, wie schnell Menschen Gesehenes zu unterscheiden vermögen. So erzeugt ein „Flimmerverschmelzungsgerät“ Lichtpunkte in immer schnellerer Folge, bis man sie nur noch als konstantes Lichtsignal sieht. Eine genüsslichere Bildverschmelzung bot die 1834 erfundene „Wundertrommel“, an deren Innenseite Bildsequenzen verlaufen (Nachbau 1920). Rotiert die Trommel, ergeben die Schlitze an der Seitenwand eine Bewegung, hier ein Männchen beim Purzelbaumschlagen. So ein Kinoeffekt wirkt vertraut, doch was ist mit den haptischen Illusionen? Wenn wir mit einem Finger blind über verschiedene Metallstäbe streichen, um herauszukriegen, welcher gerade und welcher leicht gekrümmt ist, tippen wir prompt auf den falschen: die Kreisbewegung aus dem Arm- und Ellbogengelenk hat uns irregeleitet.

Irreleitende Wissenschaft aber hatte entsetzliche Folgen. Davon zeugt der „anthropometrische Zirkel“, mit dem man Breite und Länge menschlicher Schädel maß. Im 19. Jahrhundert dienten solche Vermessungen dazu, Individuen zu identifizieren – Vorläufer der Fingerabdrücke. Im Nationalsozialismus wurden sie zum Anker des Rassenwahns. Größenunterschiede wurden als Beweis von „Rassen“ propagiert und unterschiedlichen Schädelformen gute oder schlechte Charaktereigenschaften zugeschrieben. Auch in Tübingen wurden 1933 Nazis auf die Lehrstühle gesetzt, die „psychologische Vererbungslehre und Rassenseelenkunde“ betrieben.

Die mentale Verarbeitung der „Sachen im Kopf“

Wie eine Puppenstube präsentiert sich der „Ames’sche Raum“, mit gelben Fensterrahmen, Püppchen und bemaltem Riemenboden, allerdings allseitig geschlossen. Vom Fenster vorn blickt man in ein Zimmer, das sich nach hinten verjüngt. Doch vom seitlichen Guckloch aus erscheint einem alles rechteckig. Wie das? Man guckt nur mit einem Auge, die Information über Räumlichkeit fehlt also . . . und das Gehirn ergänzt rechte Winkel! Und warum scheint ein Fenster, das um die eigene Achse rotiert, hin- und herzukippen? Nun, das Fenster ist tatsächlich trapezförmig, unsere Wahrnehmung aber geht von einem rechtwinkligen aus. „Sachen im Kopf“ entstehen nicht einfach über die Sinneseindrücke, sondern erst durch eine mentale Verarbeitung, die bis heute nicht ganz bekannt ist. Psychologische Versuche werden heute meist an Computern simuliert. So klebt man kleine Sensoren auf, um Stressreaktionen zu messen, die sich in erhöhter Leitfähigkeit der feucht werdenden Haut verraten. Früher musste man eine blitzblanke Chromröhre umgreifen, die von einem Messauge gekrönt wird. Noch mehr als dieses „Psycho-Galvanometer“ beeindruckt ein schweres Metallgestell mit zwei Kurbeln. Dieses „Zweihandkoordinationsprüfgerät“ ist das Meisterstück des langjährigen Werkstattleiters Hugo Kehrer, und man würde sich gern daran erproben. Doch um eigene Versuche zu ermöglichen, bräuchte das Institut ungleich mehr Geld.