In der Bunkeranlage Fort de Schoenenbourg unweit der deutsch-elsässischen Grenze ist von Mai an die Ausstellung „Underground“ zu sehen – 30 Meter unter der Erde. Mit dabei sind auch zwei Künstler aus Degerloch.

Degerloch - Es klingt wie der Abstieg in die Hölle. Nur ist diese Hölle kein glühender Feuerschlund. Es muss kalt sein in der Bunkeranlage Fort de Schoenenbourg unweit der deutsch-elsässischen Grenze. Nach einer Weile würden Geist und Körper in den endlos wirkenden Gängen und engen Räumen der unterirdischen Bunkeranlagen anfangen zu frösteln, sagt Eberhard Weiss. Er ist einer von zwei Degerlochern vom Stuttgarter Kunstverein Kontur, die eine Ausstellung in der unterirdischen Festung im Elsass organisiert haben. Sie ist vom 1. Mai bis zum 3. Oktober zu sehen. 36 internationale Künstler haben Exponate beigesteuert. Unter ihnen ist auch der Südafrikaner William Kentridge, der zweimal auf der Documenta in Kassel zu Gast war.

 

Der unterirdische Ort hat die Künstler inspiriert

Zum Teil sind es schon vorhandene Kunstwerke, die bei der Ausstellung „Underground“ zu sehen sind. Zum Teil haben die Künstler sich von dem bis zu 30 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Ort inspirieren lassen – und vom Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkrieges 1914.

Die Bunkeranlage selbst war gleichwohl kein Menschenschlachthaus der europäischen Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Sie wurde als Teil der sogenannten Maginot-Linie in den 30er-Jahren errichtet – als Schutzwall gegen die territorialen Gelüste Nazideutschlands. Die entlang der deutsch-französischen Grenze verteilten unterirdischen Ungetüme konnten die Invasion aus dem Osten allerdings nicht verhindern. Hitlers Truppen umgingen den Wall, indem sie im Zweiten Weltkrieg das neutrale Belgien über- und von dort nach Frankreich einfielen. „Die Maginot-Linie ist ein Zeichen dafür, wie sinnlos es sein kann, Vorsorge für einen Krieg zu treffen“, sagt Eberhard Weiss. Raimund Menges, der Vorsitzende von Kontur und Kurator der Ausstellung, verweist auf den Beitrag der Schweizer Künstlerin Joëlle Allet.

Der Irrsinn des Kriegs in Grafiken

Sie hat ein Flugzeugsymbol angefertigt, das in einem der Gänge der Bunkeranlage hängt. „Es zeigt, wie der technische Fortschritt über die gigantischen Investitionen der Franzosen einfach hinweggegangen ist“, sagt Menges. Tatsächlich spielten die mächtigen unterirdischen Festungsanlagen im Zweiten Weltkrieg schon deshalb keine Rolle mehr, weil mit dem Flugzeug einfach Luftlandeinheiten im Hinterland der Bunker abgesetzt werden konnten.

Die Künstler versuchen auf ihre jeweils individuelle Art, den Irrsinn des Krieges mit Grafiken, Skulpturen und Video-Installationen wiederzugeben. Dabei wird die direkte Auseinandersetzung mit dem Schrecken des Krieges vermieden, sagt Raimund Menges. „In dieser ohnehin tristen Umgebung wäre es zu niederschmetternd gewesen, etwas auszustellen, dass das Grauen unvermittelt darstellt.“

Die Blase aus PVC wirkt verletzlich

Vielmehr würden die Künstler sich subtil mit der Unmenschlichkeit des Krieges beschäftigen, zum Beispiel, indem sie die Fragilität des Menschen unterstreichen, sagt Menges. Die Künstlerin Victorine Müller aus Zürich hat etwa eine durchsichtige Blase aus PVC geschaffen, die in der martialischen Umgebung sehr verletzlich wirkt. Ähnlich wie auch das menschliche Gewebe, das in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs von Granaten zerfetzt, von Flammenwerfern verbrannt oder von Senfgas zerfressen wurde.

Am Eingang zu der unterirdischen Festung hat der Installationskünstler Paul Schwer einen umgekehrten, in sich verdrehten Dachstuhl aus Holz aufgestellt. Das Kunstwerk „Unterstand“ erinnert Eberhard Weiss an eine Holzhütte, die 2004 entlang des indischen Ozeans vom Tsunami umgeworfen wurde. „Es lässt auf jeden Fall an ein sehr zerstörerisches Ereignis denken, das alles auf den Kopf stellt, und das ist eben auch der Krieg“, sagt Eberhard Weiss.

Die Aktualität sei beängstigend

Die Besucher der Ausstellung können sich auf dem Weg durch die Anlage ihre Gedanken machen, wie die einzelnen Künstler das leben- und weltzerstörende Phänomen Krieg interpretiert haben. Die Umgebung könnte dabei kaum authentischer sein. Der ein oder andere dürfte sich angesichts der Ukraine-Krise und der Spannungen zwischen Ost und West fragen, wie nah Europa im Jahr des Erinnerns an 1914 wieder einem militärischen Konflikt ist, vermutet Raimund Menges.

Er findet die Aktualität beängstigend: „Wir haben uns in den vergangenen Jahren so sicher gefühlt. Und plötzlich steht ein Krieg vor der Tür, und wir stoßen da thematisch voll rein.“