In einer neuen Ausstellung im Ortsmuseum Rotenberg präsentieren Sammler aus Untertürkheim ihre verborgenen Schätze. Die Schau beginnt am Sonntag, 10. April 2016.

Untertürkheim - Was eigentlich macht Vladimir Putin in Untertürkheim? Zunächst einmal: Er macht sich gut. Das hiesige Verweilen des Kreml-Herrschers war bisher nur wenigen Eingeweihten bekannt. Peter Vetter zum Beispiel, der als selbstständiger Radio- und Fernsehtechniker einst „in fast jedes Haus im Stadtbezirk gekommen“ war, wie er sagt. Und so wusste er nicht nur vom geheimen Aufenthalt von Vladimir dem Großen in Gestalt einer Matrjoschka im Hause Bofinger, sondern auch von der sagenhaften Kumpfe-Sammlung des Ehepaars Kurtz. Aus dem Fundus dieser beiden Sammlungen haben nun Peter Vetter und Klaus Enslin für den Bürgerverein eine Ausstellung kuratiert.

 

Ins Auge fallen zunächst die bunten Matrjoschka gleich beim Entrée in die Schau. Vorneweg der Klassiker dieser weltbekannten Schachtelpuppen, ein rotbackiges Bauernmädchen mit Kulleraugen und einem mit üppigen Rosen ausgemalten Gewand. Wie in einer Spirale scheinen die aufgereihten Figuren hochzuwachsen, von Fingernagelgröße bis über 30 Zentimeter hoch. Zwölf aus Lindenholz geschnitzte Hohlformen, von denen in der Größe abwärtssteigend eine die andere fassen würde. Bei 31 Matrjoschkas, die Wolfgang und Brigitte Bofinger zur Verfügung gestellt haben, ergäbe die volle Aufstellung eine vielhundertfache Zahl an Figuren. So wird nur ein Teil in Reih und Glied präsentiert, während beim anderen Teil die größte Figur ihre schrumpfenden Klone hübsch geheimnisvoll einhüllt.

Von Folklore bis Religion

Ein Wechsel in der Präsentation, der die Vielzahl der Motive nur noch deutlicher macht. Neben der Fülle an folkloristischen Motiven mit reicher Dekoration, in denen die Volkskunst in naiver Fröhlichkeit aufblüht, fallen so auch die strenger gefassten, religiösen Motive auf. Christus- und Madonnen-Darstellungen, die eine Verwandtschaft mit orthodoxer Ikonenmalerei pflegen. Spätestens hier springt der Gedanke von der russischen Volkskunst hinauf zur Grabkapelle, wo die zaristische Großfürstin Katharina in ihrem Mausoleum ruht. Vielleicht auch schon, wenn man in der Dauerausstellung das feine Modell der Kapelle entdeckt.

Fast alle Figuren sind übrigens handbemalt. Nur da, wo Lenin, Jelzin, Putin und Co. zur touristischen Massenware werden, scheinen auch industrielle Produktionsweisen im Spiel. Bei der Bemalung und beim Korpus, wo die politischen Hohlkörper nun auch als Wodkabecher durchgehen könnten.

Weniger spektakulär auf den ersten Blick ist die Präsentation der Kumpfe. Das sind Köcher, in denen Bauern einst die handlichen Wetzsteine zum Schärfen der Sensen und Sicheln auf dem Feld am Gürtel getragen oder per Dorn in die Erde gesteckt haben. Ein paar wenige aus ausgehöhltem Kuhhorn, ein singuläres Exemplar aus Leder, die überwiegende Zahl aber aus Holz geschnitzt. Schon dies setzt eine gewisse handwerkliche Fertigkeit voraus. Zu einer wahren Entdeckung werden diese 51 Kumpfe aber, wenn man sich in Ruhe den Details widmet. Kein einziges, das nicht Verzierungen aufweist. Elemente also, die nicht nötig waren für den prosaischen Gebrauch, sondern purem ästhetischem Bedürfnis entsprungen sind.

Kunst erzählt vom Menschsein

Einige Kumpfe sind sogar direkt künstlerisch motiviert. Ein Objekt mit dem sehr lebhaften Relief eines Schnitters, ebenso farbig gefasst wie ein plastisch hervortretender Kopf. Und von zeitloser Schönheit ist ein stilvoll konturierter Pferdekopf. Auch die Jahreszahlen – 1814, 1856, 1881 – deuten an, dass diese Kumpfe vielleicht reine Schaustücke waren. Etwa als Hochzeitsgeschenke, in denen sich Stolz und Selbstbewusstsein auf die bäuerliche Existenz spiegeln. Ein Adel, von dem in gewisser Weise auch die Gebrauchsspuren der Kumpfe künden: Die Mühsal des Lebenserhalts, im Schweiße des Angesichtes Gras und Korn zu schneiden – von Schönheit umhüllt, in Schönheit transzendiert: Faszinierend, was diese Wetzsteinbecher vom Menschsein erzählen!

Info
Die Ausstellung im Ortsmuseum, Württembergstraße 312, ist vom 10. April bis zum 9. Oktober 2016 zu sehen: Jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr.