Ein Ausflugsort ist nach ihm benannt – doch wer war eigentlich Max Eyth wirklich? Das Literaturhaus hat sich auf Spurensuche begeben.

Stuttgart - Ein Mann, ein See. Mehr als hundert Jahre nach seinem Tod scheint es das Schicksal von Max Eyth zu sein, dass sein Name für die meisten Stuttgarter mit einem Ausflugsziel verbunden ist – er selbst jedoch ist außerhalb von Fachkreisen fast vergessen. Wer aber war der Mann, auf dessen Gesicht in späten Jahren ein gewaltiger Backenbart wucherte, der ihm eine biedermeierhafte Ausstrahlung verlieh? Mit dem Phänomen Max Eyth hat sich eine Runde im Stuttgarter Literaturhaus beschäftigt, wo ihm noch bis September eine Fotoausstellung gewidmet ist.

 

Der Mann ist kaum zu fassen. Zumindest mit den heutigen Maßstäben. 1836 kam er als Sohn eines Pfarrers in Kirchheim/Teck auf die Welt, verließ jedoch bald den konfessionellen Pfad, um sich am Stuttgarter Polytechnikum auf eine Karriere als Ingenieur vorzubereiten, die ihn unter anderem nach England, Ägypten und Südamerika führen sollte. Max Eyth half, die Landwirtschaft durch moderne Technik zu erneuern – fast nebenbei veröffentlichte er zahlreiche Bücher, die zu Bestsellern wurden.

Ein technoromantischer Abenteurer

Im Literaturhaus näherte sich der Kritiker Joachim Kalka dem Schriftsteller und Techniker Max Eyth an, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Dampfpflug nicht erfand, aber entscheidend verbesserte. „Der Dampfpflug“, so Kalka, „führte die neuste Technik mit etwas Archaischem zusammen.“ Eben noch hatten Bauern mühsam mit der Muskelkraft von Ochsen die Felder gepflügt, nun revolutionierte Eyth die Landwirtschaft.

Doch Eyth stand nicht nur mit an der Spitze der Technik, in seinen Büchern entwickelte er das Bild eines Ingenieurs, der als technoromantischer Abenteurer die Welt eroberte. Eyth, der 1906 starb, lebte in einer Zeit vor der Gentechnik, vor BSE und der Atombombe. „Es war einer der letzten Momente, in denen ein Enthusiast die Technik noch unbefangen lieben konnte“, so Joachim Kalka.

Hemdsärmliger Aufbruch in die Moderne

Max Eyth war in dieser Hinsicht wohl ein typisches Kind seiner Zeit. Thomas Schuetz vom Historischen Institut Wirkungsgeschichte der Technik an der Uni Stuttgart beschrieb im Literaturhaus die Karriere des Pfarrerssohns: „Als königlicher Stipendiat erhielt er am Polytechnikum eine gezielte Vorbereitung auf den Ingenieurberuf.“ Eyth entwickelte sein Talent zwischen Schraubstock und Reißbrett in einer Zeit weiter, „in der ein breiter gesellschaftlicher Diskurs über die Modernisierung des Landes stattfand“, so Schuetz.

Hemdsärmlig brach man damals in die Moderne auf. Wer vorwärtskommen wollte, dem war jedes Mittel recht – auch die Technikspionage. Schuetz zitierte Max Eyth, der in seiner Autobiografie „Im Strom unserer Zeit“ auf seine jungen Jahre zurückblickte. 1862 versuchte Eyth vergeblich, einen in Paris ausgestellten Motor zu kopieren: „Die Spionagefahrt führte zu nichts Gutem, . . . erst später lernte ich eine unumstößliche Wahrheit erkennen, daß man Erfindungen nicht macht, indem man um die Bude andrer herumschleicht.“

„Innerlich frei und geistig unabhängig“

Eine Jugendsünde stand mit am Anfang einer Karriere, die der Historiker Frank Uekötter im Literaturhaus als „transnational“ bezeichnete. Uekötter beschrieb einige Stationen des Globetrotters Max Eyth, der in Ägypten von Prinz Halim Pascha zum Chefingenieur berufen wurde. Eyth errichtete am Nil Dampfpumpen für Bewässerungsanlagen, reparierte Dampfpflüge und sorgte so dafür, dass absterbende Baumwollfelder wiederaufblühten.

Wie ein Missionar der Technik reiste Max Eyth um die Welt, Spuren hinterließ er in New Orleans, in Algier und in Samara – dokumentiert nicht nur in Reisenotizen, sondern auch in den Skizzen des talentierten Zeichners. „Ihm gelang ein Aufstieg aus der Provinz zu einer Weltkarriere“, so Uekötter, Eyth arbeitete sich „vom Schraubstock aus eigener Kraft“ empor. Wem so etwas gelingt, schlussfolgert der Historiker, der ist „innerlich frei und geistig unabhängig“. Erst mit 46 Jahren gab Max Eyth das Reisen auf und kehrte in seine Heimat zurück, wo er die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft mit begründete.

Sein Erfolg als Ingenieur verlieh Max Eyth auch literarische Flügel. So setzte er in seinen letzten Lebensjahren einem Mann ein Denkmal, der im Gegensatz zu ihm selbst durch das Scheitern berühmt wurde. In „Der Schneider von Ulm“ schrieb Eyth über Ludwig Berblinger, der bei einem Flugversuch vor den Augen des Königs in die Donau gestürzt war. Etwas anderes hatten der Schneider von Ulm und der Ingenieur Max Eyth jedoch gemeinsam: Ihrer Zeit waren sie beide voraus.