Der Erste Weltkrieg veränderte am Bodensee alles – vor allem das Verhältnis zum Nachbarn Schweiz. Eine Ausstellung in Konstanz zeigt, wie der Krieg über Nacht den Alltag in der Garnisons- und Lazarettstadt veränderte.

Konstanz - War der Krieg noch aufzuhalten? Jetzt, Ende Juli 1914, wo überall in Europa nationale Begeisterung und Kriegsgeschrei in Europa jede Stimme der Vernunft übertönten? Gläubige Christen wollten das schier Unmögliche schaffen. Im belgischen Lüttich sollten die Vertreter der römisch-katholischen Kirchen und in Frankfurt am Main die Internationalen Freimaurer einen Friedenskongress abhalten. Zur gleichen Zeit wollten sich in Konstanz Vertreter von 30 protestantischen Kirchen und Glaubensgemeinschaften versammeln. Die Kongresse in Lüttich und Frankfurt kamen nicht mehr zustande, doch in Konstanz trafen sich 90 Teilnehmer aus zwölf Nationen im feinen Inselhotel.

 

In ihrer Schlussresolution forderte die Versammlung die Regierungen Europas auf, einen „Krieg zwischen Millionen von Menschen zu verhindern, zwischen denen Freundschaft und gemeinsame Interessen ständig gewachsen sind.“ Die drei lokalen Zeitungen aber nahmen kaum Notiz von diesem letzten verzweifelten Versuch, den Weltenbrand noch aufzuhalten. Einen Tag später mussten die Teilnehmer aus Frankreich, Belgien, den USA, England, Schweden, Norwegen, Dänemark und Holland in einem eigens besorgten Sonderwaggon in ihre Heimatländer geschafft werden.

An dieses vergessene Ereignis zu erinnern, das ist allein schon ein großes Verdienst der Konstanzer Ausstellung „Die Grenze im Krieg – Der Erste Weltkrieg am Bodensee“ im Kulturzentrum am Münster. In groben, hellblauen Schaukästen, die an die Reichsbahn-Kisten für die Materialtransporte jener Zeit erinnern sollen, zeigen die Ausstellungsmacher auf, wie schnell schon in den ersten Kriegstagen das friedliche Alltagsleben in der Garnisonsstadt Konstanz mit seinem 6. Badischen Infanterieregiment Nr. 114 dem Chaos wich. Wie der Krieg auch den blühenden wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit der Schweiz brutal beendete. Ein Schnitt, von dem sich das Verhältnis zum Nachbarn bis heute nicht erholt hat.

Ein Drehkreuz für den Gefangenenaustausch

Aus der Garnisonsstadt Konstanz wurde ein Drehkreuz für den internationalen Austausch von Kriegsgefangenen und Schwerversehrten. Bis Kriegsende wurden unter der Leitung des Schweizerischen Roten Kreuzes rund 50 000 alliierte und deutsche Gefangene sowie rund 180 000 französische, englische und deutsche Kriegsversehrte über die Grenze ausgetauscht. Und das Konstanzer Regiment hatte mit seinen 3200 Mann mehr als 3000 Tote zu beklagen.

Um den Alltag des Kriegs zu veranschaulichen, hat der Museumsleiter Tobias Engelsing wieder auf den Dachböden des Konstanzer Großbürgertums gegraben und etliche Trophäen eingesammelt. Neben nie zuvor gezeigten privaten Fotografien aus dem Krieg, Feldpostbriefen, Tagebüchern und Pickelhauben der „114-er“ bis zu der Kürassier- und der (seltenen) feldgrauen Gefreitenuniform sind auch Zeugnisse des zivilen Mangels zu sehen – so eine wärmespeichernde Kochkiste, Rabattmarken oder Falschgoldringe.

Ein Inferno, das 17 Millionen Opfer forderte

Nicht zuletzt steht dort jener Sekretär, an dem der letzte badische Großherzog Friedrich II. auf Schloss Langenstein seine Abdankung unterzeichnet hat. Da war der Erste Weltkrieg schon vorbei. Er forderte 17 Millionen militärische und zivile Opfer, fegte vier Großreiche von der Landkarte und ebnete dem Kommunismus und Faschismus den Weg. Dieses Inferno abzuwenden, war in Konstanz versucht worden.

Die Schau „Die Grenze im Krieg – Der Erste Weltkrieg am Bodensee“ ist bis zum 30. Dezember im Richentalsaal des Kulturzentrums am Münster Konstanz zu sehen. Zu der Ausstellung ist ein reich illustriertes Buch (21,90 Euro) erschienen.

Öffnungszeiten:
Die Schau ist von Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet; Samstag, Sonntag und an Feiertagen ist sie von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt kostet drei Euro (ermäßigt zwei Euro). Familienkarten sind für vier Euro erhältlich.