Angelique Kerber führt den Sieg bei den Australian Open auf die Familie und ihren Trainer Torben Beltz zurück. Der erzählt: „Nachdem es vollbracht war, standen mir die Tränen in den Augen.“

Melbourne - Wenn sich Angelique Kerber mal so ganz von der Hektik ihres Berufslebens verabschieden will, dann fährt sie am liebsten nach Polen, nach Puszczykowo. Dort, wo sie sich inzwischen auch eine Wohnung eingerichtet hat. Dort, wo ihre Großeltern leben. Und dort, wo es inzwischen auch eine „Angelique Kerber Tennis Academy“ gibt, eine Talentschmiede für die Stars von Morgen. Im früheren Unterberg, 170 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt, geht es beschaulich zu. „Eine Wohlfühloase“, wie Angelique Kerber sagt, „dort macht niemand großen Zirkus um mich.“

 

Das wird sich vermutlich auch nicht ändern nach dem größten Tag in ihrer Karriere, dem Tag ihres Endspieltriumphs in Melbourne gegen die Weltranglistenerste und Titelverteidigerin Serena Williams. Die 28-Jährige findet inzwischen zwar auch Gefallen daran, mal bei ihren Expeditionen durch die Tenniswelt über rote Teppiche zu schreiten und ein bisschen vom Glitzer und Glamour des Profigeschäfts zu genießen, aber sie braucht das nicht.

„Angie ist anspruchslos, richtig bescheiden“, sagt ihre Mutter Beata. Auch bei den Eltern in Kiel gibt es keine „Luxusbehandlung“ für die Tochter, den neuen deutschen Sportstar: „Sie will auch gar nicht, dass ihr wie überall bei den Turnieren alles abgenommen wird. Wir haben alle zwei Arme und zwei Beine, und damit kann jeder dem anderen in der Familie gut helfen.“ Was auch für Kerbers Schwester Jessica gilt, die in Kiel ein Kosmetikstudio betreibt.

Enges Verbindung zur Mutter und zu Polen

Ihre Mutter ist für Angelique Kerber die wichtigste Bezugsperson. Viele Jahre saß sie bei Kinder- und Jugendturnieren gemeinsam mit Vater Slawek auf der Tribüne, war Trösterin, Motivatorin und psychologische Stütze: „Es war ganz wichtig, dass sie mich bei den Spielen sah, dass es diesen Augenkontakt gab. Das war immer sehr beruhigend.“ Daheim in Kiel kann sich die Mutter gerade genau so wenig vor dem Medienansturm retten wie Tochter Angelique in Melbourne, es sei so massiv gewesen, „dass ich jetzt erst mal nichts mehr sage“. Wohl auch deshalb, weil Beata Kerber das Gefühl hat, das sei nun zuallererst die Stunde der Tochter. Der ersten Deutschen, die in der Ära nach Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich einen Grand-Slam-Triumph geschafft hat.Angelique Kerber hat über die Jahre stets nur einem kleinen Netzwerk von Freunden, Tennisexperten und Weggefährtinnen auf der Tour vertraut.

Torben Beltz gehört vorneweg dazu, der Trainer, der nach einem vorübergehenden Abschied im Jahre 2014 dann im März der vorigen Saison wieder an Kerbers Seite zurückkehrte – und nun den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere miterleben durfte. „Mir standen selbst die Tränen in den Augen, als es vollbracht war“, sagt Beltz, der die neue Weltranglistenzweite schon als Kind und Jugendliche gecoacht hatte. „Rückhaltlos“ vertraue sie Beltz, sagt Kerber, „er weiß genau, wie ich ticke.“

Beltz (39) ist nicht nur ein guter Stratege und Taktiker, sondern eben auch ein unkomplizierter Gute-Laune-Typ, immer geradeheraus, immer bemüht, positive Stimmung zu verbreiten. In Melbourne war auch der 28-jährige Frankfurter Simon Iden im „TeamAngie“ beschäftigt, ein Physiotherapeut mit offenbar sehr gutem Händchen, der auch schon für Jugendteams des Deutschen Fußball-Bundes arbeitete. Gemeinsam mit Beltz und Iden ging Kerber am Tag nach dem Grand-Slam-Coup auch baden, im trüben Yarra River, der am National Tennis Center vorbeifließt. Es war die Einlösung einer ersten, aber noch nicht der ganzen Wettschuld für den Fall des Sieges – denn Beltz und Kerber haben sich auch noch zu einem Tanzkurs und einem Fallschirmsprung verpflichtet, wenn denn einmal die große Stunde bei einem Major-Wettbewerb schlagen würde.

Andrea Petkovic ist eine gute Freundin

Eine, die für Kerber stets Vertrauensperson und Ratgeberin in allen Lebenslagen war, konnte wie Mutter Beata Kerber nicht in Melbourne beim Sieg dabei sein: Bundestrainerin Barbara Rittner, die Architektin des Fräuleinwunders made in Germany. „Barbara und ich – wir können uns über alles unterhalten“, sagt Kerber, „sie ist sehr wichtig für mich.“ An diesem Wochenende treten sie gemeinsam im Fed Cup in Leipzig gegen die Schweiz an.

Zu Kerbers engsten Freundinnen im Tennis-Nomadengeschäft gehören auch Caroline Wozniacki, eine Dänin mit polnischen Wurzeln, und die Polin Angnieszka Radwanska. Mit den beiden machte sie auch schon Urlaub auf den Malediven.

Aber noch enger ist die Bindung zu Andrea Petkovic, die ihr einst auch den Weg aus dem größten Tennis-Schlamassel wies, 2011 war das, als Petkovic die Freundin in die Schüttler-Waske-Trainingsakademie nach Offenbach lotste und damit einen Karriereschub auslöste. Ein Herz und eine Seele sind die beiden grundverschiedenen Charaktere auch jetzt noch, da Kerber weit an der einst stärkeren Petkovic vorbeigezogen ist. Petkovics wie immer nicht ernst gemeinter Twitter-Gruß an die liebe Angie am Samstagabend dürfte Kultstatus erlangen: „Du bist der Wahnsinn. Ich möchte Dich heiraten.“ Apropos: Im Klatschmagazin „Bunte“ gab Singlefrau Kerber 2014 zu Protokoll, „dass es besonders schwierig ist, einen Mann zu finden, der für mein Leben Verständnis aufbringt“.

Nach dem großen Erfolg in Melbourne gab sie auch einmal Auskunft über ihre Vorlieben und Abneigungen: Angelique Kerber fährt gerne flotte Autos Sie mag den Braten von der Oma, Wanderungen in den polnischen Bergen, lässt sich beim Zahnarzt grundsätzlich eine Betäubungsspritze geben, mag Tanzen lieber als Singen und reist am liebsten nach New York. Sie hat einen Schuh-Tick, ist Fan des FC Bayern und von Lionel Messi. Mit links macht sie alles nur auf dem Tennisplatz. Ansonsten ist sie Rechtshänderin.