Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)


Wie sah die konkrete Beteiligung aus?


Die reichte von der Zentrale in Berlin bis zu den Aktivitäten der vielen deutschen Auslandsmissionen. Im Auswärtigen Amt in Berlin gab es das "Judenreferat" unter Franz Rademacher, in dem die Fäden der "Endlösung" mit dem Reichssicherheitshauptamt und der SS koordiniert wurden. Überall in Europa gab es deutsche Diplomaten, die an der "Endlösung" mitwirkten, indem sie sich etwa an der Erfassung der Juden beteiligten und Deportationslisten erstellen halfen; indem sie aber auch, insbesondere in Südosteuropa, direkt an Deportationen mitwirkten.

Hat sich dem niemand verweigert?


Bis auf wenige Ausnahmen gab es kein widerständiges Handeln. Einige wenige deutsche Diplomaten haben zur Rettung von Juden beigetragen - Gerhard Feine in Budapest etwa - oder wie Fritz Kolbe Dokumente an ausländische Geheimdienste weitergeleitet. Aber das sind Ausnahmefiguren.

Eine Rückkehr in den diplomatischen Dienst war nach dem Krieg für die meisten Oppositionellen unmöglich.


Es ist in der Tat erschreckend zu sehen, wie nach 1951 die alten Wilhelmstraßen-Diplomaten die personelle Besetzung des neuen Auswärtigen Amtes dominierten. Ehemaligen Diplomaten wie Fritz Kolbe wurde systematisch der Eintritt verwehrt. Andere wurden über Jahrzehnte aus dem kollektiven Gedächtnis des Amtes ausgeblendet.

Wie hat es der Apparat geschafft, so lange an der Legende als Hort des Widerstands festhalten zu können?


Schon im Wilhelmstraßen-Prozess 1948/49, in dessen Mittelpunkt mit seinem Hauptangeklagten, dem ehemaligen Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, das Auswärtige Amt stand, hat der Apparat versucht, sein Geschichtsbild zu vermitteln. In dessen Zentrum stand die Rolle des Amtes als Hort des Widerstands. Nach 1951 hat man dieses Geschichtsbild systematisch weiterentwickelt. Dem half auch die Tatsache, dass die Anerkennung des 20. Juli in der bundesdeutschen Gesellschaft lange dauerte. Und dass im antikommunistischen Klima des Kalten Krieges kommunistischer Widerstand nicht positiv bewertet wurde. Dazu kam das Verhalten des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes, das systematisch daran mitwirkte, ein bestimmtes Geschichtsbild entstehen zu lassen, indem bestimmte Akten der Forschung vorenthalten worden sind.