Aus Brandschutzgründen ist der Stuttgarter Fernsehturm geschlossen worden. Das hat weitreichende Auswirkungen – zum Beispiel für Hochzeitspaare, die sich über den Wolken trauen lassen wollte. Doch auch Gastronomen und Touristiker sehen Nachteile.

Stuttgart - Unsere Existenz ist brandgefährdet“, sagt der Gastronom Marc Mettler. Er betreibt das Lokal Unten im Fernsehturm sowie den Souvenirshop und im Sommer den Biergarten am Fuße des Wahrzeichens. Zwar bleiben ihm der Betrieb Unten. Doch der Wegfall des Lokals Oben unter der Turmspitze bedrohe auch dessen Fortbestand. „Wir sind mit dem Restaurant Unten sehr stark im Eventbereich tätig“, sagt Mettler. Was die Kunden, darunter viele Firmen, angezogen habe, sei die Möglichkeit, vor der Veranstaltung einen Aperitif im Oben zu nehmen und dann zum Essen ins Unten zu wechseln. „Wir werden sehen, ob uns nun Kunden wegbrechen“, sagt Mettler. Was auf alle Fälle fehlen werde, seien die Umsätze des Osterwochenendes. Noch ist nicht klar, ob und von wem die Betreiber des Oben einen Einkommensausfall erstattet bekommen.

 

Rebecca Scheuerle und Steffanie Keller vom Team des Cafés Oben haben dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn einen Brief geschrieben, in dem sie sich beschweren, dass sie von der Stadt nicht vorab informiert worden seien. Sie bitten nun um ein Gespräch mit dem OB.

Berufliche Zukunft planen

Da keine Besucher mehr nach oben zu bringen sind, haben auch die Fahrstuhlfahrer nichts mehr zu tun. „Wir haben sie für zwei Wochen freigestellt, dann sehen wir weiter“, sagt der SWR-Sprecher Wolfgang Utz. Insgesamt sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi 14 Beschäftigte der SWR-Tochter beurlaubt werden. Es müsse „unverzüglich Klarheit“ geschaffen werden, wie die SWR Media Services die berufliche Zukunft der Beschäftigten planen muss. Dabei sei vor allem die Stadt Stuttgart in der Pflicht. „Vom Südwestrundfunk erwartet die Gewerkschaft bei einer sich länger hinziehenden Schließung die Weiterbeschäftigung der Betroffenen beim SWR“, fordert Gerhard Manthey von Verdi.

Die Mitarbeiter haben im Foyer eine Unterschriftenliste ausgelegt. Zudem basteln sie Buttons mit dem Slogan „Offen bleiben“. Harald Wagner von der Betriebstechnik im Fernsehturm freut sich über die Solidarität von Besuchern: „Die stehen vor dem Turm und können es genauso wenig fassen wir“, sagt er.

Absagungen an Brautpaare

In der Osterwoche wollte ein Hochzeitspaar dem siebten Himmel über Stuttgart so nah, wie es nur geht sein. Sie hatten sich den Fernsehturm für ihre Trauung ausgewählt. Sechs weitere Termine in den kommenden Wochen und Monaten standen fest, berichtet die Degerlocher Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold. „Wir haben den Leuten abgesagt, sie fanden das nicht sehr lustig“, sagt sie. Die Paare weichen nun ins Bezirksrathaus aus. Im vergangenen Jahr hatten sich 25 Paare über den Wolken das Jawort gegeben. Für die Kunath-Scheffold ist die Schließung des Fernsehturms auch der Verlust eines Stückes Heimat. Jedoch sieht die Bezirksvorsteherin einen Ansatz, ein Lieblingsprojekt wieder neu anzugehen. Seit mehreren Jahren hat sie die Idee, beim Jugendhaus einen Aussichtsturm zu bauen. Als Trauort müsste dieser ein Zimmer haben: Unter freiem Himmel darf man keine Ehen schließen.

„Ich habe auch erst nach der Pressekonferenz des OB davon erfahren“, sagt Armin Dellnitz, der Geschäftsführer der Regio Marketing- und Tourismus GmbH. Seine Mitarbeiter und er hatten vor den Osterfeiertagen eine Menge Mehrarbeit zu erledigen. Im Internet wurden Touren, die mit einem Besuch des Turms verbunden waren, gelöscht. Auch als Partner zahlreicher Reiseveranstalter „sind wir nun dabei, diesen Leistungsbaustein aus den Angeboten herauszunehmen“, erklärt Dellnitz.

Hopp-on-hopp-off-Bustouren

Ob die Station Fernsehturm bei den Hopp-on-hopp-off-Bustouren durch die Stadt erhalten bleibt, kann er noch nicht sagen. Im Moment neige er dazu, den Haltepunkt bei dem im April wieder startenden Angebot weiterhin anzufahren. „Das Wahrzeichen bleibt, es gibt auch die Gastronomie am Fuß des Turms“, begründet er. „Wir wollen keinen weiteren Schaden zufügen.“

Die Schließung des Fernsehturms ziehe aber eine Vielfalt von Folgen nach sich. Vor allem bei der Gestaltung künftiger Angebote müsse man nun aufpassen, dass man das Wahrzeichen nur noch als solches vermarkte. Da sich viele Marketingaktivitäten ins Internet verlagert hätten, seien aktuelle Änderungen nicht mit hohen Kosten verbunden. Der 1956 eröffnete Fernsehturm „hat bisher eine große Anziehungskraft auf Stuttgart-Besucher gehabt“, sagt Dellnitz. Ob dies auch ohne eine öffentliche Nutzung so bleibe, vermag er nicht zu sagen.