Wieland Backes, als Mr. Nachtcafé einst das Gesicht des Südwestfernsehens, hat am Dienstag das Bundesverdienstkreuz erhalten. Eine Begegnung mit dem fast Siebzigjährigen, der Stuttgart zu seinem Lebenswerk machen will.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Wenn Wieland Backes nach kurzem Nachdenken von unten nach oben schaut, ehe er eine Frage beantwortet, sieht er ein bisschen aus wie der ältere, weise Bruder von Dieter Zetsche mit dezenterem Schnauzbart. Zum Glück heißt der Gesprächspartner an diesem Freitagmorgen nicht Zetsche, sondern Backes, sonst müsste man womöglich über Antrieb und Zündkerze sprechen. Stattdessen dreht sich das Gespräch um antiautoritäre Erziehung bei Jagdhunden und um Katzen, die den Flachbildfernseher akrobatisch kaputtspringen.

 

Aber der Reihe nach.

Wieland Backes, den die Wochenzeitung „Die Zeit“ einmal den „ungekrönten König des Niveau-Talks“ nannte, hat am Dienstag das Bundesverdienstkreuz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann verliehen bekommen. Der Journalist, dessen Herz nach eigenen Angaben im politisch fortschrittlichen Spektrum schlägt, erhält den konservativsten Preis, den dieses Land zu bieten hat, aus der Hand eines grünen Ministerpräsidenten, ohne sich allzu laut gegen diese Auszeichnung zu wehren. Wir müssen reden, Herr Backes!

Als Student zu schüchtern für die Kommune

Das tut Backes, der im September dieses Jahres siebzig wird, dann auch mit der Lässigkeit des routinierten Moderators. Mr. Nachtcafé freut sich über die Wahl des Tagescafés am Marienplatz als Ort des Interviews, wo der Cappuccino Flat White heißt, weil das mehr nach New York als nach Stuttgart klingt, und erzählt von seiner politischen Sozialisation.

Orden und Auszeichnungen seien ihm und seiner Generation in den Sechzigern sehr suspekt gewesen, das habe nach Krieg und Heldenbrust und einem gestrigen Vaterland gerochen. „Ich würde mich nicht als Alt-68er bezeichnen, das wäre Hybris. Dafür war ich ein zu schüchterner Student. Mit den Ideen der Studentenbewegung habe ich aber sehr wohl sympathisiert.“ Einer seiner Brüder habe in Heidelberg in einer Kommune gelebt. Der Lehrersohn, der eigentlich auch Lehrer hätte werden sollen, erinnert sich an einen Abend in der brüderlichen Kommune, an dem stundenlang diskutiert wurde, ob man den Kommunarden-Hund, einen deutschen Jagdhund, der auf den Namen Aktivist getauft war, antiautoritär erziehen könne. Das Ergebnis des Plenums? „Man kam zu keinem eindeutigen Resultat“, erinnert sich Backes, und sein Lächeln changiert zwischen milde und spitzbübisch.

Die Integration in Schwaben ist noch unvollendet

Dass er nun, ganz anders als er das damals, vor fast fünfzig Jahren, gekonnt hätte, das Bundesverdienstkreuz mit Freude und auch mit Leichtigkeit entgegennehme, liege an den gesellschaftlichen Errungenschaften, die dieses Land in den letzten Dekaden erreicht habe. „Heute kann man auf unsere Gesellschaft ein bisschen stolz sein. Und dass man denjenigen, der einem den Preis überreicht, schätzt, das erleichtert das Ganze natürlich ein wenig.“

Bei aller Sympathie für die Farbe Grün sei ihm Unabhängigkeit immer wichtig gewesen, daher habe er sich nie einer Partei angeschlossen. Es folgen eine längere Abhandlung über das Medium Fernsehen, das er seit über vierzig Jahren mitgestaltet, und ein Exkurs über Heimat. „Auch nach 66 Jahren arbeite ich an den Resten meiner Integration in Schwaben“, sagt Backes, der sich als „Zufallsösterreicher“ bezeichnet, weil er auf der Flucht seiner Eltern in Österreich auf die Welt gekommen ist.

Mehr Zeit für die zwölfjährige Tochter

Seine berufliche Heimat für unglaubliche 27 Jahre und 706 Sendungen war das „Nachtcafé“ im Südwestfernsehen. Nach seinem selbstbestimmten Ende beim „Nachtcafé“ Ende 2014 sei er in kein Loch gefallen, „weil das letzte Jahr ein sehr erfolgreiches war, von so viel Herzlichkeit und Freude getragen“. Trotzdem habe es geringe Umstellungsschwierigkeiten gegeben, die entscheidende sei, dass er keine Zuarbeiter mehr habe. Wenn sich Backes heute bei Moderationen etwa zum Thema Industrie 4.0 einarbeiten muss, fehle ihm seine kompetente Redaktion. Schaut er die Talkshow denn heute noch an? „Ich sehe die Sendung selten, weil das für mich die Auseinandersetzung mit dem wichtigsten Kapitel meines Berufslebens bedeuten würde. Das würde mich zu sehr stressen.“ Mit seinem Nachfolger Michael Steinbrecher sei er aber sehr zufrieden.

Viel Zeit zum Fernsehen hat Backes ohnehin nicht. Seine mannigfaltigen Aufgaben heute: zum einen die zwölfjährige Tochter, die aus seiner zweiten Ehe mit der siebzehn Jahre jüngeren Juristin Bettina Backes stammt. Zu den Erziehungsmaßnahmen gehört, dass im Hause Backes nur öffentlich-rechtliches Fernsehen empfangen wird. Ob der neue Fernseher da überhaupt eine gute Investition war? Backes ist sich nicht ganz sicher. Das alte Gerät hatten die Katzen in einem spektakulären Stunt kaputtgesprungen. Vermutlich waren die Backes’schen Haustiere mit dem Niveau des TV-Programms nicht einverstanden.

Backes bildet den Nachwuchs mit aus

Neben Familienpflichten widmet sich Backes heute der Ausbildung junger Moderatoren am Institut für Moderation (Imo) an der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM). Die HdM hat ihn 2010 zum Honorarprofessor ernannt. Dass er das Institut einst lieber an der Filmakademie in Ludwigsburg realisiert hätte, von den Filmern aber die kalte Schulter gezeigt bekam, ist heute vergessen. Viel mehr interessiert ihn die Frage, was einen guten Moderator ausmacht. „Talent kann man nicht erlernen, das Talent aber richtig einzusetzen, das kann man trainieren. Man darf Interesse nicht heucheln, sondern muss es wirklich haben. Und man muss die Leute zum Niveau verführen.“

Daneben lebt Backes heute noch ganz andere Interessen aus. „Dazu gehören die Verrücktheiten des Alters, dass ich jetzt an der Württembergischen Landesbühne in Esslingen Theater spiele.“ Backes ist außerdem einer der Väter des Literaturhauses. Seine heutige zweite Frau habe ihn damals auf den Literaturhausverein aufmerksam gemacht. „Sie war in einer Bürgerinitiative im Bosch-Areal aktiv, und als wir uns als Paar konstituiert haben, habe ich mich dieser Initiative angeschlossen.“ Kurz bevor das Projekt beinahe gescheitert wäre, konnte das Literaturhaus dann doch realisiert werden – „dank mir und meiner Frau“, wie er feststellt. Heute ist er Vorsitzender der Freunde des Literaturhauses Stuttgart.

Einsatz für weniger Autos in Stuttgart

Wie geht es außerdem weiter? „Stuttgart zu der Stadt meines Lebens zu machen, das ist ein Ziel für mich. Man sollte sich nicht auf seiner Popularität ausruhen, sondern sie einsetzen.“ Dabei hat Backes klare Vorstellungen, zum Beispiel von der Funktion, die die Villa Berg eines Tages wieder haben soll. „Die Villa Berg braucht Glanz. Ein Seniorencafé kann ich mir dort nicht vorstellen. Das Haus wäre als Heimstätte der Bachakademie passender.“ Über das nächste große Projekt, das er vorantreibt, will Backes, der 1978 über „Planung und Raumentwicklung im mittleren Neckarraum“ promoviert hat, noch nicht zu viel sagen. Nur so viel: Es dreht sich wieder um Raumplanung. Dabei geht es um weniger Autos in Stuttgart und damit um ein Thema, über das man mit Dieter Zetsche ganz anders hätte diskutieren müssen. Zum Glück haben wir uns mit seinem älteren, weisen Bruder getroffen.